Evangelisches Centralarchiv Breslau

Hallo Klaus!
Dieses (Dauer-) Thema interessiert mich au�erordentlich.

Die wesentlchen Fakten wirst Du ja kennen.

1.
Quelle: Deutsches Geschlechterbuch Bd. 178, 4. Schlesischer Band, Seite XXII
Johannes Gr�newald
" Von den aus dem evangelischen Centralarchiv in Breslau 1944 nach Kamenz,
Maumburg am Queis und Pilgramsdorf bei Goldberg verlagerten
Kirchnbuchbest�nden scheint nichts gerettet worden zu sein."

Auch wenn diese Information gedruckt ist, bleibt verborgen, auf welcher
Grundlage (Schriftst�cke, Zeitzeugen) diese Aussagen beruhen. Offen ist, wer
hat wann (ungef�hr) was verlagert und in welchem Geb�ude genau die B�cher
lagerten. Offen ist auch, ob die B�cher beim Heranr�cken der Front weiter
verlagert worden, denn zumindest Pilgramsdorf lag im Bereich der Front mit
Stand 08.05.1945. Auch die anderen Orte waren wahrscheinlich Nahe an dem
Gebiet, das nicht durch Kampfhandlungen besetzt wurde.

Ob Johannes Grunewald noch lebt, wei� ich nicht. Ziel w�re es, weitere
Informationen zu den Quellen zu erhalten.

2.
Ich habe keinen einzigen Hinweis, da� es etwas wie ein Bestandsverzeichnis
des Archivs gab.

3.
In jedem Fall gibt es jedoch noch Akten des Archivs in Breslau mit
Schriftverkehr. Ich habe dort f�r ca. 1 Stunde in Dokumenten gesucht.

Daraus lassen sich folgende Inforamtionen gewinnen (Evangelische
Centralarchiv f�r die Kirchenprovinz Schlesien Nr. 155):
Es scheint (zumindest im Kreis L�wenberg) im Mai 1936 eine Umfrage zu den
Best�nden gegeben zu haben. (Dies k�nnte die Grundlage f�r die 1938
erschienene �bersicht sein). Nicht alle Gemeinden antworteten. Interessant
ist, da� der Lagerort der Archivalien, deren Umfang und die Absicht KB an
das Archiv abzugeben, angegeben wurden. F�r den Kreis L�wenberg l��t sich
feststellen, da� zumindest im Mai 1936 keine Gemeinde die Absicht hatte, die
Kirchenb�cher abzuf�hren oder dies getan hatte!!!

Dennoch sind fast alle B�cher des Kreises L�wenberg verschwunden, jedoch
tauchten zwei Kirchenb�cher 1995/96 (eins im EZA Berlin, eins in Hirschberg)
wieder auf (W�nschendorf), die vermutlich nicht im Archiv waren.

Ansonsten kommen einem die Tr�nen, was fr�her in den Kirchenarchiven der
einzelnen Pfarr�mter vorhanden war.

Weiterhin l��t sich feststellen, da� einzelne Seiten nicht in der richtigen
Akte waren (Verzeichnis der Kirchenb�cher Kirchenkreis L�wenberg 2 Nr. 156
enth�lt bespw. Inforamtion von Gebhardsdorf Kreis Lauban).

In Nr. 70 (meine schnell aufgeschrieben Stichpunkte hierzu):
Seite 18 Probsthain Sch�ffenb�cher, Gerichtsprotokolle und
Gemeinderechnungen hier (Staatsarchiv) eingegangen 14.03.1942
Anmerkung: Es sind wohl auch Schreiben zwischen Centralarchiv uns
Staatsarchiv enthalten.

Seite 27: �bernahme des Gutsarchivs in Probsthain 26.04.1940

Seite 182 Liste mit unklarer Bedeutung
Dort Probsthain erw�hnt
Taufe 1597-1802 aus der Fremde 1655-1750
Trauung 1597-1820, Tote 1597-1814
R�chlitz Katzbach Taufe 1651-1800 Trauung 1651-1751 Tote 1651-1803

Gru�
Martin

Hallo Martin,

ganz herzlichen Dank f�r Deine interessanten Hinweise. Meine wenigen
Infos zum Ev. Centralarchiv stammen vor allem von Dirk Steindorf-Sabath,
Doris Baumert und nat�rlich Pastor Gr�newald. Meine Anfrage an das
Staatsarchiv in Breslau 'l�uft' noch. Ich gehe aber bisher auch davon
aus, da� kein Bestandsregister vorhanden ist, sondern eben nur der von
Dir erw�hnte Schriftverkehr. Man m��te sicherlich mind. 1 Woche Arbeit
in Breslau investieren, um auch nur einen groben �berblick zu erhalten,
was bis 1944 ins Ev. KB-Archiv eingelagert wurde. Ich wundere mich ja
nur, warum von Seiten der AGoFF hier noch nichts unternommen wurde. Da
gab es in den 1950-1970er Jahren hervorragende Familienforscher, denen
ich eine solche Grundlagenarbeit eigentlich zugetraut h�tte.

KK L�wenberg I
Richtig, aus dem gesamten Kirchenkreis gibt es nur noch von W�nschendorf
ein paar Jahrg�nge der Erstschriften sowie Duplikate von Lang Neundorf
und Ludwigsdorf. Von allem anderen fehlt bis heute jede Spur.

Schlo� Kamenz
Man konnte sicher kaum einen schlechteren Platz aussuchen. In
Alt-Altmannsdorf lag noch bis Kriegsende ein dt. Divisonsstab. Bereits
am 8. Mai besetzte die Rote Armee das Gebiet und Kamenz wurde Garnison
f�r 2000 Mann Sowjet-Truppen. Diese hatten anschlie�end eine 14t�gige
Pl�nderungsfreiheit aus Anla� des Waffenstillstandes proklamiert. Dabei
wurde auch das Hohenzollern Schlo� stark gepl�ndert. Hunderte von Wagen
hatten Hausrat und M�bel daraus weggeschleppt. Im Juli kamen dann die
Polen. Diese pl�nderten weiter die Zimmer und S�le des Schlosses, und
zwar sowohl Zivilisten, als auch staatliche Stellen. Anschlie�end wurde
das Schlo� durch Brandstiftung zerst�rt. Diese Angaben stammen aus dem
Buch: Kaps, Johannes, Die Trag�die Schlesiens 1945/46. M�nchen 1952. Der
Bericht schildert noch einige Details, die kann man aber hier nicht
ver�ffentlichen. Vielleicht weil Dr. Kaps ein kath. Geistlicher war,
geht er auf die ev. KB nicht ein.

Seite 182 Liste mit unklarer Bedeutung
Dort Probsthain erw�hnt
Taufe 1597-1802 aus der Fremde 1655-1750
Trauung 1597-1820, Tote 1597-1814

'Aus der Fremde' war das KB der Grenzkirche Probsthain, und zwar Taufen
der Schlesier, die aus 136 Ortschaften anreisten, aus 90 davon
regelm��ig. Im S�den bis Arnsdorf und L�hn, im Westen bis nach Sch�nau
und Kauffungen im Osten umfa�te ungef�hr das Einzugsgebiet. In 18 Jahren
wurden hier 17 650 Ausw�rtige getauft.

R�chlitz Katzbach Taufe 1651-1800 Trauung 1651-1751 Tote 1651-1803

Diese Angaben sind mir neu. Vielen Dank daf�r!

Ich werde weiter versuchen, vom Staatsarchiv Breslau etwas �ber ein
Lagerbuch, Verzeichnis, Register oder eine Liste zum KB-Bestand von
1944 zu erfahren.
Abschlie�end kann ich noch zum Pastor Gr�newald mitteilen, da� im
Archiv oder der Bibliothek des EZA-Berlin keinerlei weitere Unterlagen
von ihm vorliegen, als der von Dir erw�hnt Bericht aus dem DGB.
[Auskunft vom EZA/ 27.5.2003]

Mit freundlichem Gru�
Klaus Liwowsky

Hallo Klaus!
Vielen Dank f�r Deine Antwort.

Hast Du schon einmal nachgesehen, ob die Mikrofilme von Probsthain in
Leipzig (bzw. deren Kopie bei den Mormonen) von der Gemeinde oder der
Zufluchtskirche stammen?

Es k�nnte sein, da� Pastor Gr�newald noch lebt bzw. damals noch nicht so alt
war, als er seine Artikel zu den Kirchb�chern schrieb. Ich glaube ich habe
eine Publikation aus den 1990er Jahren gesehen (es war wohl das Jahrbuch f�r
schlesische Kirchengeschicht). Wei�t Du mehr?

Ich vermute, wir w�rden es schon erfahren haben, wenn es eine Art
Verzeichnis des Centralarchivs gegeben h�tte. Letztendlcih wwerden wohl die
Forscher (gemeinsam) die Informationen aus den Akten zusammentragen m�ssen.
Wesentliches Ziel neben einem Verzeichnis w�re es, mindestens ein
Kirchenbuch nachzuweisen, welches heute noch existiert.

FRAGE AN ALLE: Hat das Evangelische Centralarchiv eienn Stempel in die
Kirchenb�cher eingef�gt? Dieser w�re m�glicherweise in den Mikrofilmen in
Leipzig (bzw. bei den Mormonen) feststellbar.

KAMENZ:
Ich kann mir nur schwer vorstellen, da� die russischen Soldaten
Kirchenb�cher pl�nderten. Diese sollte doch entweder verbrannt oder
"organisiert" abtransportiert sein. Zeitungen aus der Staatsbibliothek
Berlin wurden in diesme Jahr auch aus Ru�land zur�ckgegeben. Ob diese gegen
Kriegsende in Berlin oder ausgelagert waren, ist mir nicht bekannt.

Offen ist auch, ob die Kirchenb�cher gegen Kriegsende noch in Kamenz
lagerten. Gibt es hierzu Informationen? Ich frage mich, ob wir nicht einen
Transport nach B�hmen in betracht ziehen m�ssen. Bisher war ich noch nicht
in einem tschechischen Archiv. Als ersten k�me vieleicht Reichenberg
(Liberec) in betracht.

KREIS L�WENBERG
Mir v�llig r�tselhaft ist das nahezu vollst�ndige Verschwinden von
Dokumenten jeglicher Art des Kreises L�wenberg. Vom Amtsgericht (AG) L�hn
gibt es nur sehr wenige Akten w�hrend das AG Sch�nau etwas weiter �stlich
umfangreich erhalten ist. Dies k�nnte auch ein Hinweis auf einen Transport
in s�dwestliche Richtung sein.

Viele Gr��e
Martin

-----Urspr�ngliche Nachricht-----

Hallo Martin,

ich finde es zun�chst bemerkenswert, da� sich so wenige Familienforscher
f�r dieses Thema interessieren. Genaue Zahlen haben ich ja leider auch
nicht, aber es sollen doch mehr als 900 Kirchenb�cher gewesen sein, um
die es hier geht. Somit sind sicher mehr als 250 Kirchenspiele davon
betroffen.
Zu Deinen Fragen:

Probsthain
Unsere Freunde von familysearch.org weisen in ihrem Katalog die
jeweiligen �rtlichkeiten sehr genau nach. Es ist nach meiner Meinung
unm�glich, da� die von Dir angesprochene Verfilmung von Probsthain, die
in Leipzig und als Kopie auch in Salt Lake aufbewahrt wird, au�er der
Gemeinde Probsthain selbst noch die 'Ausw�rtigen' enth�lt. Dies w�re
sonst angegeben. Betroffen davon sind Tf u. Tr von etwa 1655 bis 1750.
Der Umfang war so riesig, da� hier sicher ein ganzer Satz von
Kirchenb�chern vorgelegen haben mu�. Diese ganz fr�hen Verfilmungen
wurden �brigens von einem Beamten der Reichstelle f�r Sippenforschung
durchgef�hrt. Um ca. 1938 waren bereits 1170 Kirchenb�cher aus dem ev.
u. kath. Archiven in Breslau von ihm verfilmt worden.

Pastor Gr�newald
Hier m�chte ich mich bei unserem Forscherkollegen Volker Zimmer f�r
seine umfangreiche Unterst�tzung bedanken. Volker hat recherchiert, da�
Pastor Gr�newald erfreulicherweise noch lebt, allerdings altersbedingt
(Jahrgang 1919) nicht mehr an seinem angefangenen Projekt eines
schlesischen Pfarrerbuches arbeitet und auch keine Anfragen mehr
beantworten kann. Leider! Seine Unterlagen werden aber sp�ter vermutlich
in irgendeiner Weise der ev. Kirche erhalten bleiben.

Vernichtungsaktionen in Schlesien ab Fr�hjahr 1945
Es gibt hierzu von beiden Kirchen einige Ver�ffentlichungen mit
Augenzeugenberichten. Interessanterweise wird der Verbleib der
Kirchenb�cher von den ev. Pastoren in diesen Berichten praktisch nie
erw�hnt. Das gro�e Leid der Menschen steht hier im Vordergrund. Von
kath. Seite erf�hrt man dann aber doch mehr �ber die Zerst�rungen an
Kirchen, hl. Ger�tschaften und an einigen Stellen finden sich dann auch
Hinweise zu den Kirchenb�chern. Demnach gab es wohl kaum eine Kirche,
die nicht von den Sowjet-Truppen gepl�ndert wurde und auch die
angrenzenden Pfarrh�user blieben nicht verschont. Dabei ging es aber
meist um Wertgegenst�nde. Wenige F�lle werden beschrieben, in denen
kath. KB in den Pfarrh�usern verbrandt sind. Gezielte
Vernichtungsaktionen direkt nach dem Waffenstillstand, die sich gegen
'wertloses' Aktenmaterial gerichtet haben, sind aber bekannt.
Beispielsweise wurden im Augustinerstift in Breslau die dort
eingelagerten Best�nde der Universit�tsbibliothek gezielt am 11. Mai
1945 zerst�rt. Von 550 000 (!!) B�nden blieb nur ein Aschehaufen �brig.
Eine �hnliche Vorgehensweise halte ich daher in Kamenz f�r sehr
wahrscheinlich.

Stempel in KB
Sehr gute Idee! Bisher habe ich selbst noch keinen Stempel des ECA
gesehen. In den Duplikaten der KB finden sich tats�chlich �fters
Besitznachweise. (z.B. Amtsgericht Gleiwitz)

Kamenz selbst
Dazu habe ich keine weiteren Infos mehr. Von Volker erhielt ich den
Hinweis, da� Berichte �ber die v�llige Vernichtung der KB im
Ausweichlager Naumburg vorliegen.

Kreis L�wenberg
Sechs Amtsgerichte waren f�r die Aufbewahrung der ev. KB des Kreises
L�wenberg zust�ndig. Gemeint sind hier also nicht die beiden
Kirchenkreise L�wenberg I und II.

AG Anzahl ev.Pfarreien davon Nachweise
Bunzlau 22 0
Friedeberg a.Q. 5 1
Greiffenberg 7 0
L�hn 3 0
L�wenberg 9 0
Naumburg a.Q. 6 1

Dagegen das AG Sch�nau a.d.Katzbach, welches f�r die Kreise Jauer und
Goldberg zust�ndig war.

AG Anzahl ev.Pfarreien davon Nachweise
Sch�nau 10 10

Es f�llt also wirklich auf, da� es je nach Region mehr oder weniger
starke Verluste gibt. Ich bezweifele aber, da� man daraus irgendwelche
Evakuierungsma�nahmen ableiten k�nnte. Vielmehr mache ich daf�r das
Verhalten der �rtlichen Offiziere der Roten Armee und noch mehr das der
polnischen Milizienf�hrer verantwortlich.

Mit freundlichem Gru�
Klaus Liwowsky