Erlaeuterung zum Wappen von Breslau

In einer eMail vom 17.10.01 12:01:42 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit schreibt
Günther Böhm::

Und wer ist die Dame rechts unten? Ich vermute, die Heilige Hedwig.
Falls noch jemand von der Liste etwas beizutragen hat, bitte melden. Wuerde
mich
auch interessieren.

Hallo Guenther,
ich zitiere auszugsweise aus Otto Hupp: Königreich Preußen. Wappen der
Städte, Flecken und Dörfer..., Reprint von 1896 und 1898. Es sind insgesamt 2
A3-Seiten, die ich bei Bedarf auch kopieren könnte:

"Breslau, Hauptstadt der Provinz Schlesien.
Quadriert; an Stelle eines Mittelschildes belegt mit einer aufgerichteten
silbernen Schüssel, worin das Haupt Johannes des Täufers; 1. Feld: in Rot ein
linkshin gewendeter, gekrönter, doppeltgeschwänzter, silberner Löwe
(=Böhmen); 2. Feld: in Gold ein schwarzer Adler, dessen Brust mit einem
steigenden silbernen Halbmonde belegt ist (=Schlesien; 3. Feld: in Gold ein
schwarzes W (=Stadtname Wratislawia); 4. Feld: in Rot das Haupt Johannes des
Evangelisten mit goldenem Nimbus; den Halsabschnitt verdeckt ein goldener
Brustschmuck in Gestalt einer gestürzten Krone.
Dieser Schild und dazu ein Helm mit einer Krone, aus der das nimbierte Haupt
des Evangelisten zwischen zwei, je dreimal von Rot und Weiß geteilten
Fähnchen wächst, ward der Stadt auf ihr Ansuchen von König Ferdinand am 12.
März 1530 verliehen*, und auf des letzteren Verwendung von seinem Bruder, dem
Kaiser Karl V. , am 10. Juli desselben Jahres bestätigt. Beide Briefe, jeder
mit einer zierlichen farbigen Abbildung des Wappens, sind noch im Stadtarchiv
bewahrt. Die betreffende Stelle der kaiserlichen Urkunde lautet (nach dem
Abdrucke im Cod. Diol. Silesiae, Bd. XI., Breslauer Stadtbucg S. 203" ... (es
folgt ein längeres Zitat, in dem es u.a. heißt: "...Nemlichen den schielt
quartiertter weis abgetailt, inmitten desselben ain silberfarbe schüssel,
darinnen sanct Johans des tauffers haubt, und in dem undern hindten roten
sanct Johns des evangelisten haubt, am Hals under sich mit ainer guldencron
verprembt,..."
Des Rätsels Lösung findet sich dann in der Fußnote zu* , in der es heißt:
"Der Wappenpassus des ersten Briefes lautet: "Nemlichen ainen schylt mit sact
Johannis des tauffers haubt mit andern vier schylten ausserlich bezyret, als
zu oberst ainen mit ainem weyssen lewen, den andern mit ainem schwartzn adler
in ainem gelben veld auf die rechte seytten des grossern schyltes und den
dritten auff die lincke seytten mit S. J o h a n s d e s t e w f f e
r s h a w b t, das bey inen und iren vorfarn vill jare mit grosser andacht
und eerlich ist gehalten worden. Und den vierdten zu underste mit ainem W,
welches bedeutet den Namen Wratislay, welcher die stat Presslaw erstlich
gebaut..." Desweiteren schreibt Otto Hupp dann "...Nun stehen aber im
Originalbriefe die oben gesperrt gesetzten Worte auf einer Rasur und sind
von anderer Hand geschrieben. Dr. Luchs macht in: Schles. Landes- und
Städtewappen, 1881, S.19, unter Anführung zahlreicher Gründe fast bis zur
Gewißheit wahrscheinlich, daß an jener Stelle, die jetzt offenbar nur infolge
eines Schreibfehlers statt des Hauptes des Evangelisten, zum zweitenmal das
des Täufers nenne, ursprünglich: das Haupt der hl. Dorothea gestanden habe.
Thatsächlich sieht man auf sehr vielen älteren und neueren bildlichen
Darstellungen und auch städtischen Siegeln eine unzweifelhaft weibliche Büste
in jenem vierten Feld und auf dem Helme; ferner ist der Nachsatz: das Haupt
habe bei ihnen und ihren Vorfahren in großen Ehren gestanden, in Beziehung
auf das Haupt des Evangelisten unverständlich, weil von dessen spezieller
Verehrung nirgends etwas bekannt ist, während die Worte sogleich einen Sinn
bekommen, wenn man erfährt, daß in der Ratskapelle der Schädel der hl.
Dorothea in einem Reliquiarium von der Gestalt einer silbernen Büste dieser
Heiligen aufbewahrt und diese jährlich am Dorotheentage umhergetragen wurde.
Ueber den Grund der nachträglichen Abänderung ist nichts bekannt; vielleicht
trat eine protestantische Mehrheit des Rats gegen die Aufnahme eines resp.
einer neuen Heiligen in das Wappen auf und setzte es durch, das Johannes der
Evangelist, der als alter Schutzheiliger der Stadt ja auch der nächste dazu
war, erkoren wurde. Und weil damals der Evangelist immer in fast weiblicher
Jugendlichkeit, bartlos und mit langen Locken, als der Lieblingsjünger
dargestellt wurde, so konnte die Bürgerschaft um so eher ihre heilige
Dorothea darin sehen...Keinesfalls aber kann bei dem vierten Wappenfeld an
die hl. Hedwig, oder die hl. Barbara gedacht, oder daselbe gar auf die "der
Sand" genannte Oderinsel bezogen werden...."

Schöne Grüße aus Cottbus
Barbara

Hallo Freunde,
herzlichen Dank an alle, die zur Erlaeuterung zum Wappen von Breslau
beigetragen haben. Die Antworten sind meistens alle komplexer als man denkt.
Und so ist die Welt und so ist das Leben.

Herzliche Gruesse aus Upstate New York,
Guenter