Erfahrungsbericht Besuch Staatsarchiv in Lodz

Hallo zusammen,

ich reiste vor kurzem nach Polen um im Staatsarchiv Lodz zu forschen.
Über ein paar Eindrücke und Erfahrungen möchte ich hier kurz berichten.
Vielleicht kann der ein oder andere in paar nützliche Hinweise für sich
finden.

In Lodz hat das Staatsarchiv zwei Lesesäle:
im Lesesaal am pl. Wolnosci 1 können verfilmte Unterlagen eingesehen
werden und
im Lesesaal in der al. Kosciuszki 121 können die nicht verfilmten
Unterlagen und die bereits digitalisierten Unterlagen an einem PC
Arbeitsplatz eingesehen werden.

Da ich nur im Lesesaal in der al. Kosciuszki war, beschränken sich meine
Erfahrungen hierauf.

Ich habe meinen Besuch zwei Wochen vorher per Mail angekündigt und auch
die Bestellscheine für die Dokumente die ich am ersten Tag einsehen
wollte mitgeschickt.
Die Bestellscheine und andere Forumulare findet man auf deren
Internetseite: http://www.lodz.ap.gov.pl/p,73,formularze. Die
Bestellscheine heißen "Rewers".
Zu Beachten ist hier, dass pro Tag maximal 10 Einheiten bestellt werden
können. Für Notariatsakten gilt eine Beschränkung von max. 5 Einheiten.
Wenn man mehrere Tage im Archiv ist, sollte man rechtzeitig die Akten
für den folgenden Tag bestellen. Sind die Akten schon digitalisiert ist
dann natürlich keine Beschränkung vorhanden.

Nicht jeder Mitarbeiter im Lesesaal spricht Englisch. Daher sollte man
sich schon ein paar Worte Polnisch vorbereiten um sich im "Notfall"
verständigen zu können. Wenn man den ersten Tag dort ist, muss man als
erstes einen Benutzungsantrag ausfüllen und bekommt dann die Unterlagen.
Von den bestellten Unterlagen werden immer 2 Stück ausgegeben und nach
deren Rückgabe erhält man die nächsten. Man kann die Dokumente mit der
eigenen Kamera abfotografieren. Im Lesesaal steht auch ein
Dokumentenscanner, den ich aber nicht genutzt habe. Die digitalsierten
Unterlagen kann man an einem Computer Arbeitsplatz ansehen und Fotos vom
Bildschirm machen. Wem das nicht reicht, der kann sich Scans der Seiten
zu je 5 zl. bestellen. Diese werden dann eine Woche später zugeschickt.

Am PC kann man auch auf die digitalisierten KB zugreifen. Hier sind auch
Bestände verfügbar, die noch nicht bei szukajwarchiwach oder genealodzy
erschienen sind. Auch sind Scans der microverfilmten KB aus dem Archiv
der Lodzer Erzdiözese einsehbar. Viele Einwohnerbücher sind auch am PC
abrufbar.

Nun möchte ich noch auf zwei interessante Bestände aufmerksam machen:

Bestand 39/2231/0 Powiatowe Biuro Geodezji i Urzadzen Rolnych w Lodzi
https://szukajwarchiwach.pl/39/2231/0/?q=Powiatowe+Biuro+Geodezji+lodz+XTYPEro:zesp&wynik=1&rpp=15&page=1#tabZespol

In diesem Bestand sind scheinbar Akten über die Höfe/Grundstücke von den
ehemaligen deutschen Bewohnern die dann nach dem Krieg an die neuen
polnischen Besitzer übertragen wurden.
Im Aktentitel werden nur die neuen Besitzer genannt. Schaut man sich
dann aber die Detail-Seite zu dieser Akte an, so steht dort zum einen
der Name des Dorfes in dem das Grundstück liegt und der Name des
deutschen Vorbesitzers. Am besten man nutzt die Suchfunktion und schaut
ob zu einem Dorf Akten vorhanden sind oder man sucht gleich nach dem
Familiennamen. Da die deutschen Familiennamen aber teils nicht richtig
abgeschrieben wurden, findet man über den Dorfnamen eher die Akten.
Zu meinem Urgroßvater konnte ich so zumindest eine Akte finden, in der
auch ein kleiner handgezeichneter Plan dabei war, in dem die Flurstücke,
die zum Hof gehörten gekennzeichnet waren. Zwar nicht so detailliert,
dass man nachvollziehen könnte, wo genau die Felder waren, aber
zumindest habe ich jetzt gesehen, dass nicht nur das Feld, welches am
Hof angrenzte zum Hof gehörte.
Welches geographische Gebiet in diesem Bestand nun genau vorhanden ist
und wie vollständig, kann ich nicht sagen. Die Akte zu meinem
Urgroßvater bezog sich auf einen Hof in der Gemeinde Rabien bei Aleksandrów.
(Dieser Bestand ist nicht digitalisiert.)

Bestand 39/609/0 Zbiór kartograficzny Archiwum Panstwowego w Lodz
https://szukajwarchiwach.pl/39/609/0/?q=Zbiór+kartograficzny+XTYPEro:zesp+XARCHro:39&wynik=1&rpp=15&page=1#tabZespol

In diesem Bestand sind sehr viele Karten aus der Lodzer Region zu sehen.
Die Karten sind teilweise sehr detailiert. Man muss einfach mal schauen
ob zu der Gemeinde in der die Vorfahren lebten etwas vorhanden ist.
So ist zum Beispiel unter der sygn. 671 ein sehr detailierter Plan des
Dorfes Zabieniec, Gmd. Radogoszcz, von 1885 zu finden. Hier sind die
einzelnen Grundstücksgrenzen eingetragen und es ist eine Tabelle mit den
Grunstücksbesitzern vorhanden. Eine Suche hier kann sich also sicher lohnen.
Dieser Bestand ist in vielen Teilen digitalisiert und am PC im Lesesaal
einzusehen.

Ich hatte auch Einblick in Notariatsakten genommen.
Meine bisherigen Erfahrungen dazu waren lediglich, dass ich aus einem
Heiratseintrag wusste, dass bei einem bestimmten Notar unter einer
bestimmten Nummer ein Ehevertrag registriert wurde. Dann bestellte ich
im Archiv einen Scan dieses Vertrages. Mehr nicht.
Jetzt wollte ich einmal den umgekehrten Weg gehen und einfach mal
nachsehen ob bei einem Notar Verträge zu meiner Familie vorhanden sind.
Die Bestände zu den Notariatsakten sind meist so aufgebaut, dass es zum
einen die Bände mit den Verträgen gibt und dann seperat einen Index -
entweder nur für ein Jahr oder mehrere Jahre zusammen. Beim Notar
Ferdynand Szlimm in Lodz gab es dem Index vorangestellt noch ein
"Repertorium" in dem der Inhalt der Verträge in ein paar Zeilen
zusammengefasst war.
Die Indices bestanden aus zwei Spalten in denen die Namen der beiden
Vertragsparteien aufgeschrieben waren. Der Index ist alphabetisch nach
der ersten Vertragspartei sortiert. Hier liegt nun auch die Crux. So wie
ich es ersehen konnte, ist die erste Vertragspartei der Verkäufer und
die zweite der Käufer. Sucht man also nach dem Kaufvertrag mit dem der
Vorfahre sein Grundstück erworben hat, kennt man doch meist nicht den
Namen des Vorbesitzers. So muss man also den Index in Gänze durchlesen -
macht dabei dann aber auch den ein oder anderen Zufallsfund.
Ist im Index nur der Familienname genannt, weiß man oft nicht ob es zur
eigenen Familie gehört. Hier ist dann das "Repertorium" - wenn vorhanden
- sehr nützlich. Da man hier schnell überprüfen kann, ob der Akt die
Familie betrifft. Ansonsten müsste man dann immer erst die seperaten
Vertragsbände bestellen und stellt dann fest, dass es nicht zur Familie
passt.
Ist kein Index vorhanden, sieht es ganz schlecht aus. Die Verträge sind
teils zu lächerlich dicken Bänden gebunden wurden, die man nicht einfach
so durchblättern kann.
Einige Notariatsakten sind schon digitalisiert und am PC einzusehen.

Das soll es dann von mir gewesen sein. Ich hoffe ich habe euch nicht
gelangweilt. Wenn jemand Erfahrungen zu anderen Archiven hat, wäre es
schön hier kurz davon zu berichten.

Viele Grüße
Kai

Lieber Kai, danke fuer deine Informationen.
   Gruss!
   Beate

Hallo Kai,

Recht vielen Dank für die nützliche Hinweise.

Meine Familie auf beiden Seiten haben alle für 2-4 Generationen auch in
Lodz gelebt. Ich hatte vor nächstes Jahr Deutschland wieder zu besuchen
und eventuell auch nach Polen fahren, deswegen wollte ich Dir einige Fragen
stellenÖ

1) War Deine erste Korrespondenz mit dem Staatsarchiv in Englisch oder
Deutsch_?
2) Ist es erlaubt ein Hand Scanner für die nicht digitalisierten
Unterlagen zu benutzen_?
3) Kann man die digitalisierten Unterlagen auf einem Flash Drive(USB Stick)
herunterladen?
4) Wie wusstet Du im Voraus welche Unterlagen ein Paar Wochen vorher zu
bestellen?

Im Voraus danke ich Dir für Deine Gefälligkeit.

Herzlichste Grüße aus Florida, USA

Bernhard

Hallo Bernhard,

1) War Deine erste Korrespondenz mit dem Staatsarchiv in Englisch oder
Deutsch_?

Die letzten Anfragen habe ich in Englisch gemacht. Auch auf Deutsche
Anfragen wird bisher geantwortet. Die Antwort ist aber immer in Polnisch.

2) Ist es erlaubt ein Hand Scanner für die nicht digitalisierten
Unterlagen zu benutzen_?

Dass kann ich dir leider nicht genau sagen. Da müsstest du dich bei der
Aufsicht im Lesesaal erkundigen. Da aber das fotografieren mit
Blitzlicht untersagt ist, könnte ich mir vorstellen, dass man wirklich
nur mit der Kamera fotografieren darf. Da man so einem Handscanner
direkt über das Papier zieht, glaube ich nicht, dass es gestattet ist.
Da die meisten Akten gebunden sind, wird man mit der Kamera aber bessere
Ergebnisse erzielen.
Es gibt im Lesesaal aber auch einen Dokumentenscanner speziell für die
gebundenen Bestände, den man selber nutzen kann. Den habe ich aber nicht
benutzt und kann dir nicht sagen, ob das mit Kosten verbunden ist.
In der Zeit wo ich im Archiv war, hat diesen nur einmal jemand benutzt.

3) Kann man die digitalisierten Unterlagen auf einem Flash Drive(USB
Stick) herunterladen?

Nein. Man darf nur Fotos vom Bildschirm machen. Man kann aber die Seiten
für 5 zloty/Seite beim Archiv als Scan bestellen. Die Seiten werden dann
nachgeschickt.

4) Wie wusstet Du im Voraus welche Unterlagen ein Paar Wochen vorher
zu bestellen?

Viele Bestände kann man auf der Seite szukajwarchiwach recherchieren.
Dort habe ich geschaut, was für mich interessant sein könnte und mir die
entsprechenden Bestands- und Signatur-Nummern aufgeschrieben und
bestellt. Nach meiner bisherigen Erfahrung ist die Bearbeitungszeit für
eine Anfrage ca. 2 Wochen.

Viele Grüße
Kai

Kai,

Nochmal, herzlichsten Dank.

Bernie