Date: Fri, 22 Feb 2008 13:09:49 +0100
From: "Kocks" <annikocks@t-online.de>
Subject: Re: [OWP] Entlastungszeugnis
To: "'OW-Preussen-L'" <ow-preussen-l@genealogy.net>
Message-ID: <1JSWiQ-09aVjk0@fwd33.aul.t-online.de>
Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1"Danke Matthias,
das war kurz aber verständlich.
Nur ist das leider nicht ganz zutreffend. Im Entnazifizierungsverfahren (zwischen 1946 und 1948) konnten alle, die - sei es als einfache NSDAP-Mitglieder, sei es in höheren Rängen - beschuldigt waren, das NS-Regime gefördert zu haben, diese Beschuldigung nach Möglichkeit widerlegen. Dafür konnten sie dann zum Beispiel entlastende Erklärungen unbelasteter Zeugen beibringen. Solche Entlastungszeugnisse nannte man ironisch "Persilscheine", weil sie der Reinwaschung dienen sollten. Zum Beispiel wurde mein Vater, der zeitweise als sogenannter "Staatsfeind" in Gestapohaft gewesen war, gerne um solche Zeugnisse gebeten, weil sein Wort natürlich im Verfahren der "Spruchkammern" etwas galt. Einer meiner Tanten, die in der NS-Frauenschaft gewesen war, aber seinen jüdischen Freund zeitweise vor seinen Verfolgern versteckt hatte, stand er mit einer solchen Erklärung bei, und sie wurde dann in die Gruppe V der "Entlasteten" eingestuft. Einer anderen Tante hat er hingegen den Persilschein verweigert, weil sie bis zum bitteren Ende eine (wie er sagte) "150-prozentige Nazisse" gewesen sei. Die kam dann, soweit ich mich erinnern kann, in die Gruppe IV der "Mitläufer". Gruppe I waren die "Hauptschuldigen", II die "Belasteten", III die "Minderbelasteten". Die "Unbelasteten" waren alle anderen, die keiner NS-Organisation angehört hatten und sich deshalb der Entnazifizierung nicht unterziehen mußten. (Und wer nach 1919 geboren war, kam in den Genuß einer "Jugendamnestie" und wurde damit gar nicht in das Verfahren einbezogen.)
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Lehmbruch