Einmal Vagabund - immer Vagabund? [war: Re: [Eifel] Maus in FB Rockeskyll]

Hallo, Vagabundenforscher,

angesichts der vielen Vagabunden gestattet mir einmal diese Frage, obwohl und sogar WEIL ich mich mit der Materie bisher nur allgemein befasst habe. Aber es interessiert mich. Meine Frage soll auch zur Anregung dienen.

Einmal Vagabund, immer Vagabund? Was war los mit den vielen Vagabundenkindern? Waren sie „automatisch“ ebenfalls Vagabunden?
Wenn diese Mädchen und Jungen heranwuchsen – nahmen sie dann gelegentlich „feste Arbeit“ an (sofern es damals welche gab), oder blieben sie auf der Straße? Und wenn sie z.B. zwei Jahre in einem Ort gearbeitet hatten, gaben sie dann beim Umzug in ein anderes Dorf „ex Rockeskyll“ oder "ex Schalkmehren" (nur Beispiele!) an, oder waren sie dann noch „vagabundi“? War die Vagabunden-Laufbahn durch Annahme einer Arbeit unterbrochen?
Irgendwann fand doch bei den herangewachsenen Kindern eine Trennung von der Familie statt?

Und was ist mit mit den vielen Menschen, die nicht ihren Geburtstag und oft auch nicht ihren genauen Geburtsort mehr kannten – und auch nicht ihren GEBURTSNAMEN? Sondern die nur ihren Vornamen kannten und alleine unterwegs waren. Wenn sie sich einer ANDEREN Vagabunden-Gruppe anschlossen – nahmen sie dann möglicherweise den SIPPENNAMEN an? Ich betone: Dies ist nur eine Frage. Wie konsequent wurden die eigentlichen Familiennamen weitergeführt? Oder blieben die Sippen sowieso immer unter sich?

O.K., es mag sein, dass manche Vagabunden eine Art „Vagabunden-Ausweis“ mit sich trugen, aber sicherlich trugen nicht alle Vagabunden so einen Ausweis mit sich (wohl eher nur wenige). Und er konnte auch einmal verloren gehen. Galt der Ausweis für immer? Ein Bild war jedenfalls nicht drin, in dem Ausweis.

Also, ich bin zwar sicher, dass man viele Vagabunden eindeutig und zweifelsfrei auch nachträglich identifizieren kann (besonders dann, wenn sie „auffällig“, also aktenkundig geworden sind - jedoch wäre später noch das Thema "Vagabunden-Mobbing" zu diskutieren), aber es wird doch bestimmt auch viele geben, die in Wirklichkeit gar nicht (zum Beipiel) MAUS hießen (nichts gegen Mäuse!), sondern die einfach diesen Namen annahmen? Zum Beispiel dann, wenn sie gar keinen Ausweis besaßen und nur ihren Vornamen kannten. Vielleicht nahmen sie diesen Sippen-Namen nur vorübergehend an? Das hatte (aus deren Sicht) damals gar nicht mal mit Gesetzeswidrigkeit zu tun, sondern einem gewissen Selbstschutz oder einer Art Pflichtbewusstsein ("Man muss ja schließlich einen Namen haben und dazugehören.") Wie gesagt, dies formuliere ich absichtlich als Frage.

Der Pfarrer – und dies wurde ja in einer der früheren Mails auch gesagt – schrieb ins Kirchenbuch (z.B. wenn ein Kind geboren wurde) zu den Namen der Eltern hinzu: „vagabundi“. Dies bedeutete wohl auch, dass er (der Pfarrer) eventuell nichts Genaues über die familiären Verhältnisse sagen konnte.

Immer noch unklar ist mir, ob "Vagi" auch "automatisch" "Vagabundi" waren. Dies bezweifle ich jedoch. Möglicherweise waren "vagi" oft "vagabundi", aber oft waren "vagi" auch Durchreisende, also z.B. Wanderhändler, die auch alle paar Wochen oder Monate nach Hause wanderten (oder fuhren). Sie waren z.B. unterwegs zu den Verkaufsmärkten (z.B. Kirmess, Kaufhäuser gab es damals ja noch nicht). Die Strecken waren lang, man wurde vielleicht auch abgewiesen und musste weiterwandern. Bestimmt vermochte der Pfarrer nicht immer genau sagen, ob es sich um "Vagabundi" handelte oder um "Vagi". Der "Vagabund" oder "Durchreisende" jedoch bekam das Kirchenbuch vielleicht gar nicht zu sehen oder manche konnten nicht lesen und somit nichts korrigieren. Im übrigen nehme ich aber an, dass viele Vagabunden auch schreiben und lesen konnten - vielleicht eher als Einheimische, die dies oft gar nicht brauchten. Der Vagabund war aber viel mehr darauf angewiesen, sich zurechtzufinden, man lernte v
oneinander.

Kann mir jemand dazu etwas sagen (Einmal Vagabund – immer Vagabund?) – oder muss diese Frage unbeantwortet bleiben?

Antworten, auch Korrekturen, willkommen! Auch wenn ich hier etwas spaßig schreibe, meine ich es ernst.

P.S.: Die Unterscheidung in "Vagi" (Durchreisende mit einem Ziel oder mit Rückkehrabsicht) und "Vagabundi" (Herumreisende ohne Ziel) finde ich schon wichtig, und zwar deshalb, um möglichst zu wissen, was damals los war. Es hat nichts mit einer Wertung. Übrigens: In den Herkunftsorten der Wanderhändler, z.B. in den Korbmacher- und Besenbinder-Dörfern, steht im Kirchenbuch natürlich nicht das Wort "vagi".
Und weil das Wort "heimatlos" fiel: Innerhalb welcher Grenzen bewegte sich der Vagabund bzw. durfte er sich bewegen? Diese Grenzen waren ja seine Heimat.

Grüße,
Elke
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