Lieber Arno, u.a.,
bevor Du ein Hering, Herr Ring oder der Herr der Ringe wirst,
dabei noch Augenringe bekommst, jetzt doch nochmals über
die Liste, weil's so schmackhaft ist ;-):
Also, was Du meinst, ist nach Deiner Beschreibung *kein*
Heringssalat, sondern das Gericht "Schmandheringe". Ob man
daraus nun einen "Salat" machen möchte, obliegt jedem selbst.
Bei dem von Dir gesuchten Gericht handelt es sich nicht um eingelegte
Heringe (eingelegte Heringe sind meist Bratheringe gewesen !), sondern
um Salzheringe, die unbedingt ein bis zwei Tage vorher gewässert
werden müssen, damit ihr Salzgehalt abnimmt.
Der Durst folgt darauf sowieso, weil Fisch nun mal schwimmen will, und
ostpreußische Lorbässe und Marjellchens einen Grund zum Trinken
brauchten. 
Obwohl jeder Haushalt, jede Region es etwas anders machte, hier die
grundlegenden Lebensmittel:
1. gewässerte Heringsfilets (aber die Filets mussten erst zubereitet
werden, d.h. vom ganzen Hering hergestellt werden). Dabei wurden
Rogen und Milcher entfernt und diese meistens später zu einem Stück
Brot gegessen. Meine Mutter vermengte die Milcher in der Schmand-
soße. (Es durfte ja nichts verloren gehen !) Herings-Rogen sind heute
eine teuere Delikatesse !!! In Holland werden sie noch gesondert ver-
kauft - fast wie Kaviar. Wenn man in Deutschland einen Fischhändler
findet, der sie hier (aus Holland importiert) verkauft, kann man sich glücklich
schätzen.
2. Sahne (süß/sauer ? ) - weder noch, das Originalrezept sagt Schmand.
Schmand ist ein bisschen fetter als saure Sahne, schmeckt aber auch besser
und hat nicht den strengen Geschmack. Schmand ist milder. Joghurt kannten
Ostpreußen damals noch nicht und Mayonnaise ? Von ihr als Zutat habe ich
noch nie gehört.
3. sauere Gurken ! Du kannst auch Gewürz- oder Senfgurken nehmen,
aber das Originialrezept sagt sauere (eingelegte) Gurken, die mit Gurken-
gewürz (Essigsud, Dill, Senfkörnern, Nelken, Wachholderbeeren und Lorbas-
;-), äh Lorbeer-Blättern (getrocknet), Salz und Zucker gewürzt wurden.
Die Gurken wurden damals noch selbst in irdenen Töpfen eingelegt - für
"sauere" Zeiten im Winter...
4. Lorbeerblatt: siehe oben. Diese(s) kamen nur in den Gurkensud,
nicht aber ins eigentliche Gericht. (Es ging um den Geschmack.)
5. Wacholderbeeren: siehe oben - nur im Sud.
6. Kein Salz ! Die Heringe sind salzig genug ! Dafür aber ca. einen
Teelöffel Zucker, Pfeffer nach Belieben. Pfeffer war damals sehr teuer
und die meisten konnten sich ihn nicht leisten.
7. Zitrone ? Ja, aber nicht zu viel ! (einen Teelöffel). Auch keinen Essig,
aber der Gurkensud wurde hinzugefügt, damit er das Gericht etwas
flüssiger macht und man die Soße mit den Pellkartoffeln besser
aufnehmen konnte. Der Sud galt als "Geschmacksverstärker".
8. Äpfelstücken und zwar mundgrecht klein geschnitten. Ich teile einen
geschälten Apfel in Achtel und und schneide diese dann nochmals
waagrecht in Stückchen (ähnlich wie beim Apfelkompott).
9. Zwiebeln sind sehr wichtig. Mutter fügte ganze Zwiebelringe hinzu;
ich halbieren sie aber, weil sie dann mundgerechter sind. Die Menge
richtet sich nach dem individuellen Geschmack.
10. Als letztes wird frisch kleingehackter Dill darüber gestreut,
vermengt mit der Schmandsoße - und wenn man will, kann man
mit Dill und kleinen Herings- und Apfelstreifen die "Pampe" schön
dekorieren.
Das Gericht heißt wirklich einfach nur "Schmandheringe", dürfte
aber kein typisch ostpreußisches Gericht sein, weil es in Norddeutsch-
land sowie in Hessen bekannt ist (und war).
Dazu werden Pellkartoffeln gereicht, die selbstverständlich ungesalzen
sind, und wegen der Hitze im gekochten Topf (Wasser vorher
abschütten
) auf den Tisch gestellt werden. Jeder schält sich
selbst die Menge der Kartoffeln, die er / sie meint verdrücken zu
können. Und ja, diese Pellkartoffeln werden mit der Schmandhering-
soße "geknetscht" und *nicht* (laut Knigge) geschnitten, damit eben
die Soße aufgenommen werden kann. Soßen, die bei anderen Gerichten
übrig blieben, wurden nicht weggeworfen, sondern in Brot eingetunkt.
Genauso verhielt es sich mit Schmandhering und Pellkartoffeln.
Es war damals ein "Arme-Leute-Gericht" - heute ist es endlich wieder
eine sehr gesunde Spezialität, die, wenn sie selbst gemacht ist, weitaus
besser ist als der vermischte Kram, den man auch im Supermarkt kaufen
kann.
So, und wenn Du nun zum Schmandhering-Koch avanciert bist, laden
sich die Damen und Herren, die Dir das Wasser im Mund zusammen-
laufen ließen, bei Dir zum Schmandhering-Essen ein. 
Liebe Grüße --- Gisela