Eheschliessungen

Einen schoenen Sonntag an Euch alle,

Eine Freundin von mir (die im Sauerland forscht), hat mir erzaehlt, dass Eheschliessungen in 16. oder 17. Jahrhundert nur dann erlaubt wurden, vorausgesetzt dass der Ehemann seine Familie ernaehren konnte. Kann das sein?

Viele meiner Vorfahren haben eigentlich spaet geheiratet, d.h. zwischen 30 und 40 Jahren und es war die erste Ehe. Ich wunderte mich darueber. Wuerde das die Anzahl einiger unehelicher oder vor der Ehe geborenen Kinder erklaeren?

Weiss jemand mehr darueber, bitte?

Lb. Gruesse
Sabina.

Liebe Sabina,

ja, das kann man so frei sagen. Wenn ein Mann die Eltern seiner Braut um die Erlaubnis zur Eheschließung fragte, schauten die als gute Eltern natürlich, dass der neue Schwiegersohn seine Familie auch ernähren konnte. Man sprach damals von der Nahrung. die ein Mann hatte. natürlich arbeiteten auch die Frauen oft mit, als Haupternährer galt aber der Mann. Der musste, wenn er Handwerker war einen eigenen Betrieb vorweisen, oder, wenn er z.B. Arbeiter in einem Hammerwerk oder einer Eisenmiene etc. war, eben dort sein Auskommen haben. Bauern sollten einen eigenen Hof vorweisen, den gaben die alten Eltern natürlich nur ungern früh ab, da sie damit ihrer eigenen "Nahrung" verlustig sind und sich auf das Altenteil zurückziehen mussten. Das war meistens ein Nebengebäude, in dem die Alten lebten. Sie bekamen eine vertraglich zugewiesene Versorgung, allerdings gab es viele Prozessen, wenn die jungen Leute ihre Verträge - aus not, Unwillen etc. nicht einhielten. Nur einmal auf dem Altenteil hatten die alten Bauern nichts mehr zu bestimmen und waren von ihrem Hofnachfolger abhängig.

Dies war z.B. im Sauerland so, wo Anerbenrecht galt. D.h. EIN Kind erbte den Hof, die anderen wurden mit Geld etc, versorgt oder blieben als Knechte und Mägde auf dem Hof, auch nicht immer eine angenehme Stellung. Vor allem, wenn das eigene Geschwister verstarb und die Witwe erneut heiratete und dann ein Bauer auf dem Hof bestimmte, der nicht ein Verwandter war und den Hof lieber an seine eigenen Kindern vererben wollte. Auch bei den großen Pachthöfe war die Situation nicht einfacher. Denn als Kind eines Großbauer sollte man natürlich auch auf einen großen Hof einheiraten oder diesen Pachten. Dies gelang aber nicht allen Nachkommen, vielen blieb als Alternative die Abhängigkeit auf dem Hof des Geschwisters oder - bei den Frauen - eine Einheirat bei einem Kötter. Dort bedeutete die eigene Herkunft und die eigene Mitgift natürlich etwas und verstärkte die soziale Position innerhalb der Familie. Allerdings war die junge Frau dann Kötterin und Tagelöhnerin geworden und musste hart am Überleben der Familie mitarbeiten. Dieses Kötterdasein zogen aber viele junge nichterbende Leute der Abhängigkeit auf dem elterlichen Hof vor. Denn damit konnten sie eine eigene Familie gründen, deshalb war das Heiratsalter oftmals höher als heute und vor allem heute angenommen.

In Gebieten der Realteilung im Rheinland - d.h. JEDER ERBE hat den gleichen Rechtsanspruch auf den elterl. Besitz- bekam jedes Kind bereits bei der Heirat seinen Anteil am Land, was dazu führte, dass die Wirtschaftsgrundlage der Eltern ebenfalls geschmälert wurde, auch in diesem Fall liegt das Interesse der Alten an einer späten Heirat ihrer Sprösslinge, denn eine Rente gab es ja im 17. und 18. Jahrhundert nicht und man musste für seinen eigenen Lebensunterhalt so lange es irgendwie ging selber sorgen.

Gruß

Frank

Lieben Dank, Frank. Das haste mal wieder toll erklaert. Es erklaert auch, warum so einige Kinder schon Jahre vor der Ehe geboren sind. Aber die Schande? War da keine Schande mit verbunden? Ohhhhhh, waere ich das..............
mein Vater haette mich rausgeworfen, hehe.

Oder war das 'offiziell' anerkannt? Man konnte also nicht heiraten, weil eben der Unterhalt noch nicht da war, aber man hatte trotzdem vorher schon mal ein paar Kinder??

Geschichte ist oft interessanter als all die Namen und Daten.

Lb. Gruss,
Sabina.

Liebe Sabine,

natürlich war da offiziell und natürlich ausschließlich bei der Frau - Schande verbunden - wenigstens auf Seiten des Pfarrers, allerdings sah die Dorfbevölkerung dies oft nicht so eng, besonders, wenn die unehelichen Eltern bereits verlobt waren, dann durften sie nach gängiger Meinung auch miteinander schlafen und wenn daraus Kinder entstanden war das ja das gute Zeichen dafür, dass die Frau fruchtbar war und Nachkommen gebären konnte, was sehr wichtig für die Landbevölkerung war. Die offizielle Ansicht der Kirche war natürlich eine anderen.

Allerdings setzte sich auch erst im 16./17. Jahrhundert die Lehrmeinung der Kirche auf dem Land durch, dass eine Ehe erst durch den Segen des Pfarrers gültig war. in der Tradition war eine Ehe aber schon gültig, wenn die Familien sie abgesprochen hatten und das Beilager offiziell gehalten worden war, d.h. eine Ehe konnte bei der Bevölkerung bereits gültig und damit die Nachkommen legitim sein, wenn die Ehe bereits abgesprochen war. Seit dem 13. Jahrhundert hatte die kath. Kirche versucht, diese Sitte abzuschaffen, aber sie hielt sich noch sehr lange - zumindest auf dem Lande.

Wenn der Vater des Kindes dazu noch eine hochgestellte Persönlichkeit war, war der Makel sowieso sehr gering, falls das Kind offiziell anerkannt worden war und später Kind und Mutter versorgt wurden. Es ist aber nicht so, dass Mütter grundsätzlich sich durch ein uneheliches Kind alle Chancen auf eine Ehe genommen hatten. Dafür gibt es viele Fälle. Wie natürlich die Eltern reagiert hatten, wenn die Tochter unehelich schwanger wurde, ohne dass die Ehe mit dem Kindsvater verabredet worden war, das bleibt für uns im Dunklen, sicher werden sie nicht immer begeistert gewesen sein. Oftmals lebten die Kinder aber nach dem 14. Lebensjahr nicht mehr bei den Eltern, sondern verdingten sich als Gesinde (meistens bis zum 24. Lebensjahr) um sich so ihre Aussteuer zu verdienen. Der Arbeitgeber war natürlich nicht immer sehr glücklich, wenn seine Mah´gd schwanger wurde und es werden sicher auch viele ihre Magd aus dem Haus geworfen haben. Dann blieb der jungen Frau natürlich nichts anderes übrig, als zu den Eltern zurückzukehren, wenn sie nicht auf der Straße leben wollte.

Gruß

Frank

Hallo Frank,
Ich danke Dir. Ich komme mir vor wie ein Staubsauger, der alles in sich aufsaugen will - Wissen, Kenntnisse, Geschichte.
Herrlich.

Liebe Gruesse
Sabina.

.

sabina schrieb:

Lieben Dank, Frank. Das haste mal wieder toll erklaert. Es erklaert
auch, warum so einige Kinder schon Jahre vor der Ehe geboren sind.
Aber die Schande? War da keine Schande mit verbunden? Ohhhhhh, waere
ich das.............. mein Vater haette mich rausgeworfen, hehe.

Oder war das 'offiziell' anerkannt? Man konnte also nicht heiraten,
weil eben der Unterhalt noch nicht da war, aber man hatte trotzdem
vorher schon mal ein paar Kinder??

Geschichte ist oft interessanter als all die Namen und Daten.

Lb. Gruss, Sabina. ----------------------------------------------------

Liebe Sabina,

meist waren die unehelichen Kinder wohl ungewollt, gelegentlich aber
auch ein Druckmittel, um die Heiratserlaubnis zu bekommen. Denn mit der
"Schande" des unehelichen Kindes wollte die Familie nicht leben. Und
manchmal setzte sich dann auch der Pfarrer f�r die Heiratswilligen ein,
damit in seiner Gemeinde alles wieder ordentlich zuging.

�brigens war die Heiratserlaubnis nicht nur der Eltern erforderlich. Je nachdem, zu welcher Zeit und in welcher Region Du forscht war bei H�rigen oder Halbfreien (auch) die Erlaubnis des Grundherren einzuholen, und der lie� sich diese meist bezahlen (Beddemund und andere, gelegentlich recht drastische bzw. anschauliche Bezeichnungen).

Gru� aus Bochum
Herbert (Kuba)

Hallo Herbert

und danke fuer die Erklaerung. Ich forsche augenblicklich in Senden, Krs. Luedinghausen so um 1660 bis 1750.
Noch bin ich mir nicht ganz sicher, aber so wie ich sehen kann, scheint mein ur-ur-usw.usw.grossvater 9 Jahre vor der eigentlichen Eheschliessung geboren sein.

Wie kann man sehen, ob jemand ein Leibeigener oder Hoeriger war? Wo kann ich das feststellen? Ich glaube, meine Vorfahren waren hauptsaechlich nicht wohlhabend, eher arm.

Gruesse aus St. Catharines,
Sabina.

ich hab gerade mal gegoggled um Senden, Krs. Luedinghausen herum, habe aber keinen Fluss gefunden.

Meine Stoerbrocks kommen fast alle von Senden. Gibt es dort einen kleinen Fluss? oder See? Ich kann nichts auf google map finden, was so aussieht wie Wasser oder ist der Emskanal nah genug?

Naja, heute glaube ich, hab ich genug gefragt.

Eure Sabina. (mit 'a' am Ende) und von Kanada.

Hallo Sabina,
in Senden gibt es einen kleinen Fluß Namens Stever. Der Dortmund-Ems-Kanal stammt aus dem 20. Jahhundert.
Schöne Grüße
Joachim

"sabina" <sabina@cogeco.ca> schrieb:

Hallo Joachim,
danke fuer die email. Dieser Fluss koennte wichtig sein, denn mein Vorfahr hiess Stoerbrock und hat vielleicht nah am Fluss gewohnt.

Und so hab ich mal wieder was dazugelernt.
Danke.
Lb. Gruss
Sabina.