Sind Namen nur Schall und Rauch?
Die Bedeutung alter ostpreu�ischer Familiennamen (Schluss), Ostpreu�enblatt Juni 1954
Ein Ankermann war ein Schiffsknecht, der den Anker zu bedienen hatte, ein Becherer fertigte Zinnbecher, ein Bechler Holzgef��e, ein Bender war ein Landsmann, der vom Besitzer eines Grundst�cks ein St�ck Acker zur Nutznie�ung erhielt und ihm daf�r als Knecht diente. Ein Freimann war ein Gelegenheitsarbeiter, der auf G�tern, in D�rfern, St�dten und W�ldern, ja sogar im Ausland Besch�ftigung suchte. Ein Keiper war ein Fischmeister, ein Kieper dagegen der K�per, K�fer. Der K�ttler war ein Fleischer, der die Kuttelflech als Anteil bekam, der L�ufer war ein Briefbote (niederdeutsch L�per). Der Packmohr war ein Polizeiorgan, das den Schulzen im Hauptamt Insterburg beigegeben war. Der Schaumann war der Vertreter der Z�nfte bei der staatlichen �berpr�fung der Handwerksware. Ein Volkmann war ein Lohnhofmann, der so genannt wurde, weil er �ber das Volk, d. i. das Gesinde und die Scharwerksleute, gesetzt war. Auch bei den Berufsnamen zeigt sich, dass Ostpreu�en Kolonialland war. F�r M�ller finden wir nicht nur M�ller, sondern auch niederdeutsch M�ller, M�llner ja selbst das �sterreichische M�llner taucht auf. �hnlich ist es mit Kr�ger, Kr�ger, Kretschmer und manchen anderb, �ber die Fleischbauer, Fleischhacker, Knochenbauer und Metzger hat bei uns allerdings restlos das norddeutsche Wort Fleischer gesiegt. Wenn man ein postalisches Verzeichnis der Ortsnamen Ostpreu�ens vornimmt und von den meisten Namen mit der Endung en und au diese Schlusssilben streicht, so erh�lt man Familiennamen, z. B. Kausch, Knop, Plink, Pra� usw. Oft sind dann diese Namen gleichlautend mit denen des urspr�nglichen Gr�nders oder Besitzers, der dem Ort seine Bezeichnung gegeben hat, was aber nichts daran �ndert, dass diese Namen auf die entsprechenden Ortsnamen zur�ckgehen. Bahlau geht auf Baalau Kr. Stuhm zur�ck, Bork auf Borken, Kr. Pr. Eylau, Biehl auf Bylau bei Frauenburg, Bludau auf einen Ort im Kr. Braunsberg, Damerau auf die vielen Flurnamen, die urspr�nglich einen Eichenwald, dann einen ganz lichten Wald bezeichneten, Kalb (Kalven Kr. Stuhm), Kalkstein (Kr. Heilsberg und Fischaus), Kahlau (Kr. Mohrungen), Kath (Kr. Heilsberg), Kerwin (Kr. Mohrungen und Kr. Heilsberg), Krahn, Kron, Kranich aus Cronau Kreis Allenstein, Kuck nach einer Furt in der Passarge, Kuhrau (Kr. Braunsberg), Legien (Kr. R��el), Link nach Linken Kr. Stuhm, Lunau (Kr. Heilsberg) usw. usw. sind Namen, die in diese Kategorie geh�ren.
Heilige als Namenspaten
Von den aus Vornamen hervorgegangenen Familiennamen sie nur einiges gesagt. Nur wenige wissen, dass Augstein und Kirschstein auf die Heiligennamen Augustin und Christian zur�ckgehen. Die Entwicklung von Christian ist folgende: Christian, Kristian, Kristen, Kirsten, Kersten. Nun empfand man diese Silbe �sten� als die niederdeutsche Form von Stein, setzte dies Wort daf�r ein und erhielt Kirschstein, beziehungsweise Kerstein. Ganz �hnlich bei Augustin, das zun�chst zu Augstin, dann zu Augsten und schlie�lich zu Augstein wurde. (Entsprechend ist die Entwicklung bei Holstein, das aus Holt-seten, das ist Holzsassen, zu Holsten und dann zu Holstein wurde).
F�r das Ermland sind kennzeichnend die Heiligennamen Matern und Roman. Roman ist nicht aus slawischen Ortsnamen wie Romanowen herzuleiten, sondern von dem Heiligen Romanus. Selten wurden Vornamen in ihrer urspr�nglichen Form angewandt. Man benutzte lieber Kurzformen davon. Jede Landschaft Deutschlands hatte eigent�mliche entwickelt. Statt Nikolaus sagte man in Schleswig Nissen, in Mitteldeutschland Nickel, in Westfalen Klassing, in Schlesien Klo� oder Nitsch. Bei uns in Ostpreu�en finden sich all diese Kurzformen nebeneinander, denn unsere Heimat nahm ja Siedler aus allen Gauen Deutschlands auf.
An deutsche Namen geh�ntes �i�
Und noch auf eine Eigenart dieser Namengruppe sei hingewiesen. Im Ermland, nachdem es aus dem Verband des Deutschen Ordens herausgerissen und dem K�nige von Polen unterstellt worden war, wandelten sich alle niederdeutschen Namensformen auf -ke zu solchen auf ik, ig, ohne dass Zwischenformen auf ing sich einschoben.
So wurde aus Ludike Ludig, aus Gerke Gerig, aus Radtke Radig, aus Reinke Reinick, aus Engelke Englick, aus Kuhnke Kunig, aus B�hnke B�nig, aus Tiedtke Tiedig, aus Steinke Steinig. Ja, man kann einem Namestr�ger dieser Art geradezu sagen, dass er aus dem Ermland stamme, obwohl sich �hnliches auch anderweitig findet, aber nicht so konsequent: ich erinnere nur an �Entspekter Br�sig� (aus Br�seke).
Bliebe noch ein Blick auf die Einwirkung fremder Sprachen zu werfen. Die Litauer machten sich die deutschen Namen dadurch mundgerecht, dass sie sie mit ihrer Endung eit und at versahen. So entstanden Namen wie Schulmeistrat, Schneidereit, Schustereit und Herzogkeit. �hnlich verfuhren die Polen im Ermland dadurch, dass sie manches deutsch -ke in ein ki wandelten oder ki einfach heranh�ngten: So kamen Schulzki, Holski, Steinki, Lachmenski zustande. Oft begn�gten sie sich auch mit der slawischen Schreibung eines deutschen Wortes. Unser Schulz ist in Sculcz kaum wiederzuerkennen.
Alte, urspr�ngliche Form bewahrten die Schottennamen Abernetty (nethy), Douglas und Ogilvie. Die Shaws wurden im Ermland zu Schaus und die Drummonds zu Dromler. Der Name Firley ist wohl irischer Herkunft. Die franz�sischen und schweizerisch-franz�sischen Namen mussten sich manche Vergewaltigung seitens der bereits ans�ssigen Bev�lkerung gefallen lassen. Aus Pliquett wurde Plickert, aus dem schweizerischen Arquevaux wurde Erkwo, aus Echement wurde Eschmann usw. Und �hnlich umgeformt wurden auch die ungewohnten Namen der oberdeutschen Salzburger. Aus Ebner wurde Immer, aus Stuhlebm im Salzburgischen entstanden ist, wurde Stuhleimer.
So zeigte sich hier um 1732, dass es doch schon so etwas wie ein Ostpreu�isch gab, das sich Fremdes mundgerecht machte. Die Salzburger Namen sind ja zu bekannt, als dass ich sie hier noch einmal auff�hren m�sste. Sie gehen fast alle auf Flurnamen der s�dlichen Heimat zur�ck. Die Meinung, der Ostpreu�en, alle Namen auf �er� seien salzburgisch, ist irrig. Eisenbl�tter zum Beispiel findet sich schon lange vor 1732 in Ostpreu�en. Dieser Name bezeichnet den Hersteller von Draht, der das Eisen zwischen zwei gl�henden Eisen pl�ttet. Eisenbl�tter ist also der Eisenpl�tter.
Es w�re noch viel zu sagen. Ich hoffe, in nicht zu langer Zeit in einem Buch noch viele ostpreu�ische Namen zu deuten.
Ich w�rde mich freuen, wenn dieser Aufsatz in manchem Landsmann Interesse an seinem eigenen Namen weckt. Ich w�re jedem dankbar, der mir die Deutung eines schwierigen Namens zum Nutzen der Allgemeinheit mitteilte. Ebenso w�re ich dankbar, wenn gl�cklicher Besitzer eines Elbinger, Memeler, Lycker, Braunsberger, Thorner, Graudenzer Adressbuch mir dieses f�r zwei Wochen zur Verf�gung stellten. Durch die Universit�tsbibliothek kann ich sie nicht erhalten. Ich sichere pflegliche Behandlung und Ersatz der Unkosten zu. Meine Anschrift lautet: Dr. Walter Franz, M�nster/W. Waldeyerstra�e 90