"Hallo" in die Runde,
ich hatte in den letzten Wochen wenig Zeit und möchte heute nochmal
kurz auf den Vornamen "Wilhelm" zurückkommen.
Dieter Seemann schrieb:
Der Vorname 'Wilhelm' muß zu Kaiserszeiten wohl ein Renner
gewesen sein!
Dr. Mathias Pietras schrieb dazu:
Das deutet evtl. auf eine gewisse Kaisertreue der Familie hin ...
Günther Böhm schrieb noch dazu:
Das variierte nach den gerade in Preußen Herrschenden. Am häufigsten
ist natürlich die Kombination Friedrich Wilhelm - davon gab bekanntlich
gleich vier preußische Könige, sicher mit F.W. III. und seiner Frau Luise
(wegen des Sieges über Napoleon) als Beliebtesten und F.W. IV. ...
als Unbeliebtesten. Doch auch dem haben offenbar viele ihre Kinder
gewidmet, wenn diese mal "zu etwas kommen" sollten - auch wenn
daraus auch einmal ein Hauptmann von Köpenick (Friedrich Wilhelm
VOIGT, * 1849) geworden ist. Im 19. Jahrhundert war man,
besonders in den Städten, bei der Wahl der Vornamen nicht mehr
so traditionsbewußt ...
Freya meint:
Wo haben Sie denn das gelesen ?
Bei Marx und Engels ?
Darüber hinaus kann man schlecht von Variationen sprechen, wenn
preußische Könige - oder wie Sie in Ihrer Terminologie dazu sagen,
Herr Böhm: "in Preußen Herrschende" - jahrzehntelang (von 1786
bis 1861) "Friedrich Wilhelm" hießen !
Meine bei eigenen Forschungen gemachten Erfahrungen sind, daß der
Vorname "Wilhelm" in Preußen recht beliebt war, als die preuß. Könige
noch "Friedrich" bzw. "Friedrich Wilhelm" hießen. Otto von Bismarck,
der "Eiserne Kanzler", nannte 1852 seinen zweiten Sohn "Wilhelm".
Der Bruder des Königs Friedrich Wilhelm IV., der spätere Kaiser
Wilhelm I., wurde 1797 geboren.
In der Kaiserzeit ab 1871 verlor der VN "Wilhelm" dagegen nach und
nach an Beliebtheit. So wurden die Neugeborenen in Preußen in den
1880er/90er Jahren zwei- bis dreimal häufiger "Karl" oder "Paul" ge-
nannt als "Wilhelm". Die Kindersterblichkeit ging zurück und analog
offenbar auch die Beliebtheit des VN "Wilhelm", der von "Karl", "Paul",
"Ernst", "Otto", "Gustav" und "Hermann" nach und nach überholt wurde.
In Berlin mag das noch anders gewesen sein, aber Ende des 19. Jahr-
hunderts lebten noch etwa zwei Drittel der Preußen auf dem Land.
Statt "Wilhelm" nannten Eltern ihren Sohn ab 1885 lieber "Willy",
statt "Friedrich" lieber "Fritz", statt "Elisabeth" zunehmend "Else",
statt "Margarethe" immer öfter "Grete".
Ich halte es für ein KLISCHEE, daß die Beilegung des VNs "Wilhelm"
eine kaisertreue Gesinnung des Elternhaus bedeutete. Es mag sein, daß
es Menschen gab, die ihren Sohn "Wilhelm" nannten, weil der Kaiser
so hieß, aber verallgemeinern sollte man das nicht.
Stammten denn Kommunisten wie Wilhelm Liebknecht, Wilhelm Pieck
und Wilhelm Reich auch aus kaisertreuen Familien ?
Man könnte also genauso aus der Statistik ableiten, daß die Deutschen
nicht besonders kaisertreu gewesen wären, sonst hätten viel mehr Eltern
ihre Söhne "Wilhelm" genannt.
Wenn man dagegen doch von der Beilegung eines Vornamens auf die
Gesinnung des Elternhauses schließen könnte, stellen sich mir folgende
Fragen:
Waren denn Eltern, die ihr Kind "Karl" nannten, Kommunisten (wegen
Karl Marx)? Und erst recht solche, die ihrem Sohn den Doppelnamen
"Karl Friedrich" (Karl Marx + Friedrich Engels) beilegten?
War jemand, der um 1880 seinen Sohn "August" nannte, Sozialdemokrat
und ein Anhänger von August Bebel ?
Und wenn einem Kind die VN "Karl, Friedrich, Wilhelm" beigelegt
wurden, dann können wir wohl rätseln, ob die Eltern Kommunisten
oder vielleicht doch Monarchisten waren ?
Wem haben denn Eltern anno 1905 ihr "Friedrich Wilhelm" genanntes
Kind gewidmet, Herr Böhm ? Oder ihren "Friedrich Wilhelm August" ?
Ich hoffe, es ist für alle nachvollziehbar, wie weithergeholt solche
Vorstellungen von Kaiser- bzw. Königstreue sind.
Stellt Euch doch mal das Leben auf dem Land vor 150 oder 200
Jahren vor - ohne Computer, ohne Radio, ohne Fernsehen, ohne
Zeitung, ohne Bücher - da war es kein Wunder, daß die Menschen
nur die Vornamen der Könige, ihrer Vorfahren und der Nachbarn
kannten. Ich habe Vorfahren, die nannten ihren ersten Sohn "Johann
Friedrich", ihren zweiten "Friedrich Wilhelm" und ihren dritten
"Johann Friedrich Wilhelm". Fragt mich aber bitte nicht, wie deren
Rufnamen lauteten ...
Für geradezu aberwitzig halte ich die Behauptung, durch die Wahl des
VNs "Wilhelm" hätten sich Eltern ...
[bei dem preuß. Prinzip "Viel leisten, aber wenig hervortreten" !!]
... für ihren Sohn größere Chancen erhofft.
Wo haben Sie denn das her, Herr Böhm ?
Hatte vielleicht ein "Wilhelm" sogar eine geringere Gefängnisstrafe zu
erwarten als ein "Ferdinand" ?
Ein kleiner Vorschlag zum Schluß:
Machen Sie sich doch mal den Spaß, und führen Sie beim nächsten
Lesen eines KB oder eines Geburtsregisters für ein oder zwei Jahr-
gänge mal eine Liste über die beigelegten Vornamen. Sie werden
staunen!
Zudem wäre es reizvoll zu erfahren, welche VN den Kindern 1850,
1890 oder 1905 in Breslau, Liegnitz oder Waldenburg usw. beigelegt
wurden. Vielleicht kann mal jemand "kleine damalige Hitlisten" rein-
geben ?
Beste Grüße,
Freya