Hallo Forscherfreunde,
die Problematik der sog. Kuckuckskinder wurde vor einigen Jahren auch in einigen
geneal. Mailinglisten thematisiert.
Einen aktuellen Beitrag "Seitensprung-Geschichte: Wer ging besonders häufig fremd?" [1]
(hier im Anschluss unten) zum Anlass nehmend sei das Thema jedoch wieder einmal aufgegriffen
(ohne jetzt hier aber eine erneute Diskussion provozieren zu wollen).
Die wiss. Meinungen über das gen. Thema gehen z.T. auseinander.
Seriöse Studien gehen im Durchschnitt von einem Anteil von ca. 3- 5 % sog. Kuckuckskindern aus.
In einer 2004 in der 'Ärzte Zeitung' ersch. Buchbesprechung ("Von verheimlichten Kindern und
zweifelnden Vätern") zu der Veröff. "Der Kuckucksfaktor. Raffinierte Frauen? Verheimlichte Kinder?
Zweifelnde Väter?" wurde der heutige Anteil der Kuckuckskinder in Dtd. mit (geschätzt) 10 % angegeben. [2]
Immer wieder neu werden zudem teils einschlägige Artikel veröffentlicht, die in der Tendenz den Anteil
von Kindern, die einen nicht biologischen Vater haben, weitaus höher beziffern.
Etwa mit Schlagzeilen wie "Experten schätzen, daß jedes zehnte Kind in Deutschland ein »Kuckuckskind«
ist" [3].
Zeitgleich wurde im "Spiegel" ein Beitrag mit gleicher Tendenz veröffentlicht [4].
Einige Jahre später erschien (2010) im 'Handelsblatt' ein nahezu gleichlautender Beitrag [5].
Seriöse wiss. Untersuchungen und internationale Studien dagegen benennen die Quote sog. Vaterschaftsdiskrepanzen mit zwischen 2- 5 %. Lediglich einzelne Studien vermitteln davon abweichende andere Ergebnisse (bis zu 12 % Anteil).
Hier müssen dann länder- bzw. regionalspezifische Besonderheiten sowie unterschiedliche kulturelle und/ oder konfessionelle Grundlagen als Ursachen berücksichtigt werden.
Für uns Genealogen erscheint es zumindest sinnvoll bis notwendig, den Blick auch zurück in die Geschichte
zu lenken und diesen Umstand unklarer biologischer Vaterschaften zumindest zu berücksichtigen.
Die wissenschaftliche Sicht vermittelt, dass sich der Anteil der Kuckuckskinder auch in Deutschland bzw.
den dt. Einzelterr. i.L. der Jahrhunderte nicht wesentlich veränderte (und es erscheint dabei unerheblich, ob wir uns in kath. oder protest. Gebieten bewegen).
Kritiker mögen hier einwenden, dass allein die quellenbelegten Vaterschaften für uns relevant seien.
Das ist richtig.
Jedoch kann eine rel. hohe Fehlerquote in unseren Ahnenlisten angenommen werden, wenn man eine durchschnittliche Zahl von ca. 3- 5 % Kuckuckskindern berücksichtigen will.
Oder auch anders ausgedrückt. Unsere gemäß der Normen der patriarchalischen Gesellschaft angelegten AL weisen dem Grundsatz nach in eine falsche Richtung. Hieraus würde (und müsste) folgen, dass wir AL konzipieren, die primär den matrilinearen Abstammungslinien [6] Priorität einräumen.
Diese Verfahrensweise aber wenden nur wenige an (darunter z.B. der uns allen bekannte und verdiente
Genealoge Arndt H. Richter/ München) [7].
Ausgehend von meinen beiden Großmüttern bzw. Urgroßmüttern habe ich solche AL erstellt und das gegebene Ahnenbild, die Generationen in den Mütterlinien zeitlich absteigend verfolgend, ergibt andere An- und Einsichten als die Darstellung der (männlich dominierten) Familienstämme, die bekanntlich alle mit weiblichen Einstiegsahninnen einsetzen.
Hier beende ich nun erst einmal meine Ausführungen. Mit Interessierten tausche ich mich hierüber bilateral gerne weiter aus (da ich befürchte, dass eine Diskussion über die Liste sonst wieder Unmut hervorruft).
Zum eingangs erwähnten Beitrag siehe unten.
Grüße aus Niedersachsen, Thomas Engelhardt, 31241 Ilsede, Niedersachsen
[1] Aus 'Spektrum der Wissenschaft' online (News - Spektrum der Wissenschaft), abgerufen 15.11.2019.
[2] Buchbesprechung: Von verheimlichten Kindern und zweifelnden Vätern.
In: Ärzte Zeitung (2.11.2004)
(zu Hildegard Haas (Hrsg.), Claus Waldenmaier: Der Kuckucksfaktor. Raffinierte Frauen? Verheimlichte
Kinder? Zweifelnde Väter? München u. Prien/ Chiemsee: Gennethos- Verlag, 2004).
[3] ebda.
[4] Vaterschaftstests. Drama der Heimlichtuerei
In: Der Spiegel, Nr. 44/ 2004, S. 193.
https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/32565477
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32565477.html
[5] Axel Meyer: Zweifelhafte Vaterschaft: Kuckuckskinder häufiger als gedacht.
(In: handelsblatt.de v. 7.01.2010).
[6] Vergl. --> Matrilinearität (auch als sog. kognitive Abstammung bezeichnet).
[7] Mitt. von Arndt H. Richter (eMail v. 22.11.2019):
Bezüglich "Kuckuckskinder" ist es ja schon lange bekannt, daß der mütterlichen Abstammung eine
größere Sicherheit zukommt als der väterlichen; denn "pater semper incertus est". - In meiner
Broschüre von 2006: "Die Welt der vernachlässigten Abstammungen: 'Muttertstämme' - Töchterketten"
hatte ich dieses Thema ja vor allem unter anderen Gesichtspunkten als Hommage an Prof. Dr. Otto
Freiherr von Dungern (1873-1967), mit umfangreicher Literaturliste und dabei einer entdeckten
Gesetzmäßigkeit behandelt:
Abstammungen: Mütterstämme - Töchterketten
Mein spezielles Forschungsgebiet seit 1979 sind hier jedoch die erbmäßig (genetisch) bevorzugten
Abstammungslinien in der Aszendenz und Deszendenz, die ihre Ursache in den sog. X-chromosomalen
Linien haben: www.genetalogie.de/artikel/artikel.html
Auf der Basis "mütterlicher Großväter" entstand 1989 dann schließlich meine These "von der besonderen
Mittlerrolle X-chromosomaler Gene bei der Ausprägung geistiger Eigenschaften":
<font color="#FFFFFF">Mütterliche Großväter: X-chromosomale Gene und geistige Eigenschaften</font>
Arndt (Richter)