Darguner Pietisten

Guten abend,

hat sich schon mal jemand mit den Darguner Pietisten zur Zeit der Augusta in Dargun beschäftigt? Wilhelmi hat einen Bericht hierzu geschrieben und beruft sich darin auf Dr. med. Jochim Jasper Johann Hempel, der die pietistischen Entgleisungen am Beispiel des Hofbäckers Johann Görtz beschreibt. Ist bekannt, wo Hempels Schriften hierzu archiviert sind?

Beste Grüße

Bernd Görtz

Sehr geehrter Herr Görtz,

Ganz sicher bin ich mir zwar nicht, aber ich hatte in Google „Pietist Hempel Dargun“ eingegeben, dann findet google als ersten Treffer ein Buch aus dem Verlag „De Gruyter“ mit dem Titel
German Pietism and the Problem of Conversion von Johnathan Strom.
Das 6. Kaptiel heißt Conversion in Dargun. Möglicherweise ist in diesem Kapitel der Hempel genauer erwähnt. Denn ohne genauen Titel tut man sich auch über die Fernleihe der Bibliotheken schwer, das Werk ausfindig zu machen. Ich selbst bekomme nur eine gute halbe Seite angezeigt, da ich (logischerweise) beim DeGruyter-Verlag kein Online-Abo habe. Auf dieser halben Seite kommt der Hempel zwar nicht, aber unter anderem die Augusta, von der auch Sie sprechen.

Eine Möglichkeit wäre noch die sog. RABE-Liste: das ist ausgesprochen: Recherche- und Auskunftsdienst der Bibliothekarischen Einrichtungen.
Entweder, Sie melden sich (kostenlos) dort selbst an (HBZ Nordrhein-Westfalen betreibt sie) oder Sie gehen in die nächstbeste Stadtbibliothek (fachlich geführt) und bitten die dort Beschäftigten, diese Anfrage über die RABE-Liste zu stellen.

Allzeit viel Forschererfolg wünscht nebst einem schönen Abend

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Peren

Lieber Herr Peren,

herzlichen Dank. Ich hatte schon nicht mehr mit einem Beitrag zu diesem doch recht ungewöhnlichem Thema gerechnet. Könnte man der Sache etwas näherkommen, wenn man die Jahreszahlen der von Ihnen angegebenen Bücher vergleicht? Hempel starb 1788 und da sich Wilhelmi auf Schriften von Hempel beruft, müsste die Veröffentlichung vor dieser Jahreszahl erfolgt sein. Übrigens soll Hempel Arzt in Neubrandenburg gewesen sein und noch vor 1743 eine Kammerjungfrau der Augusta von Dargun geheiratet haben. Die Eheschließung muss wohl in Dargun stattgefunden haben, denn ich finde sie nirgends. Die Darguner Kirchenbücher aus dieser Zeit sind sehr lückenhaft, da ein Großteil bei einem Brand vernichtet wurde. Das ist auch der Grund dafür, dass ich dort nur eine Tochter des Hofbäckers Görtz (Gerdes, Gerds, Gertz) finden kann. Er hatte aber wahrscheinlich auch Söhne.

Hempel war offensichtlich kein Pietist. Das war letztlich auch der Grund für seine Entlassung 1743 in Dargun.

Herzlichen Dank nochmals

Bernd Görtz

Sehr geehrter Herr Görtz,

Ich fürchte, dass ich nicht weiter helfen kann, als ich es schon getan habe. Nochmal der Rat: wenden Sie sich an die nächste fachlich geführte Bibliothek und bitten Sie das dortige Personal, über die RABE-Liste eine entsprechende Anfrage zu stellen. Bibliothekare lernen in ihrer Ausbildung „was finde ich wo wie am schnellsten“. Wenn Sie nicht gerade an eine „Schnarchnase“ geraten, sind Sie in Bibliotheken mit Ihrer Fragestellung viel besser aufgehoben als hier.

Allzeit viel Forschererfolg wünscht nebst einem schönen Abend

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Peren

Sehr geehrter Herr Peren,

danke, werde ich versuchen.

Viele Grüße

Bernd Görtz

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Hallo Bernd,

vielleicht von Interesse
Heinrich Wilhelmi :
Augusta, Prinzessin von Meklenburg-Güstrow, und die Dargunschen Pietisten
In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 48 (1883), S. 89-284

Seite 134-135:
Aelter ist der Abfassung nach Hempel’s mit Vorsicht zu benutzende „Unpartheiische und aufrichtige Historie des Kirchen=Zustand es bei der Gemeine zu Dargun im Meklenburgischen von Anno 1733 bis zu Ausgang des Jahres 1735“, welche E. Neumeister im Jahre 1737 mit einer häßlichen Vorrede veröffentlicht hat [2].

[2] Bei G. Th. Adamsen, Ausführliches Antwortschreiben u. s. w. Neumeister war der Meinung, darin „dieser tollen Heiligen eigenes Geständniß“ zu haben, von einem, „der der Bußkämpferei selber zugethan ist“. Darin freilich täuschte er sich. Andererseits ist wohl auch Rusmeyers Urtheil (Die Kraft Christi, S. 182 ff.) nicht ganz zutreffend, wenn er den Verfasser „ganz unparteiisch“ nennt, „einen redlichen Mann, der Gott fürchtet und die Wahrheit liebt“, „keinen Feind von obbemeldeten Predigern“ und geschickt ihren Sinn recht zu fassen. Aber daß er von Rusmeyer ein „guter Freund“ gewesen, ist allerdings richtig. Es war nämlich der Dr. med. Joachim Jaspar Johann Hempel, Practicus in Neubrandenburg. Mit dem Darguner Hof verschwägert - er hatte nämlich eine Kammerjungfer der Herzogin gefreit -, erfuhr er Von der letzteren vielfache Gnadenbezeugungen, zu deren Erlangung sein Freund und Verwandter Hellwig ( ) ihm sicher nützlich war. Für eine Disputation, welche er überreichte, wurden ihm 20 Thlr. gezahlt (1733), am 30. September 1734 wurde er zum Hofstaats= und Amtsarzt bestellt (für ihre Person hatte die Fürstin einen Arzt in Hamburg). Er war als solcher verpflichtet, jährlich viermal in Dargun zu erscheinen, wofür er 50 Thlr. erhielt nebst einer jedesmaligen Reisevergütung von 4 Thlrn. extra. Als seine Mutter durch eine Feuersbrunst betroffen worden, erhielt sie eine Unterstützung von 30 Thlrn. Rücksichten der Dankbarkeit mußten darum auf seine Handlungsweise von Einfluß sein. Indeß nach dem Zerwürfniß zwischen Hellwig und den Dargunern trug der ärztliche Hausfreund kein Bedenken, das, was er gelegentlich erkundet und notirt hatte, ihrem gemeinsamen Freunde Rusmeyer in Greifswald zuzustellen. Von welchem es dann Neumeister erhielt und in den Druck gab. Auf gemachten Vorhalt soll Hempel selbst bekannt haben, „daß er hierunter einen Judas=Tück bewiesen und Unrecht gethan, dem äußerlichen Vorgeben nach solches bereuet und sich anheischig gemacht zu revociren“. Auch soll er bezeugt haben, daß er die Relation nur an Rusmeyer geschickt, und zwar nicht zur Veröffentlichung, sowie, daß Manches mit eingeschaltet sei, was er nicht referirt habe (?). (Zachariae an Graf Henrich Ernst v. Stolberg, cfr. Anonym. S. 51 ff.) Hempel hat wohl durch diesen Widerruf sich bei Amt und Brod erhalten wollen. Allein vergebens. Seit Ostern 1738 fehlt er in den Besoldungslisten. Trotz dieses Schwankens kann man ihn als Zeugen nicht ganz verwerfen. Soweit wir ihn controliren konnten, haben wir ihn zuverlässig gefunden. Widerlegt ist er in keinem Punkt. Er war in der Lage zu wissen, was geschah, und hatte kein Interesse, direkt zu lügen. Auch mögen merkwürdige Dinge genug geschehen sein, so daß es nicht nöthig war, welche zu erfinden. Dem Litterarhistoriker der späteren Controverse, J. H. Burgmann, wäre es zugekommen, die Glaubwürdigkeit Hempels ernsthaft zu untersuchen, statt mit Achselzucken daran vorüberzugehen.

Seite 138: „Zu der Zeit begab sich, daß ein Bäcker in Dargun (es war der Hofbäcker Görtz) sammt seiner Frauen in melancholische Raserei verfiele, als die bereits lange Zeit uneinig gelebt hatten. Wie sie nun geschrieen, daß sie verloren und verdammt wären, haben die Bekehrten nicht weislich geurtheilt und gesagt: sie wären in dem Bußkampf, weswegen auch der Herr Pastor Ehrenpfort hingehen müssen. Wie er sie nun in vorgemeldten Umständen gefunden, hat er sie, wie gesagt wird, gelassen“ (d.h. er urtheilte ebenfalls, daß sie im Bußkampf stünden, den man nicht stören dürfe. Er müsse seine Zeit währen. Je gründlicher er durchgemacht werde, desto besser. Vorzeitige Tröstung könne das ganze Werk der Bekehrung vereiteln. An Wahnsinn kam ihm kein Gedanke). „Von dem kranken Mann wird gesagt, daß er auf die Dörfer gelaufen und Jesum gesucht. Die Frau ist in den Brunnen gesprungen, sich zu ersäufen, und wie sie daraus errettet, hat sie, sich zu ermorden, zwo Wunden am Leibe gestochen. Woraus das böse Gerücht entstanden, daß der Engel Gabriel diese Person in Abrahams Schoß tragen wollen, habe sie aber in Brunnen fallen lassen, und was des gottlosen Geschwätzes noch mehr geworden. Diese Leute gehörten zu der Gemeine des Herrn Dr. Stieber’s, der sie denn auch fleißig besuchet. Bei dessen freundlichen Zureden und bei dem Gebrauch der Medicamenten des Herrn Dr. Lembken sind sie durch göttliche Gnade wieder genesen“.

https://mvdok.lbmv.de/mjbrenderer?id=mvdok_document_00002896

Gruß
Andreas (Meininger)

Hallo Andreas,

danke.

Ja, genau auf diesen Aufsatz von Wilhelmi habe ich mich ja bezogen. Ich vermute, dass der Hofbäcker Söhne hatte, die später nach Neukalen gingen. Einer von diesen, nämlich der 1746 geborene Johann Joachim Görtz war mein direkter Vorfahre. Was ich nun suche ist das Schriftstück von Hempel, auf welches sich Wilhelmi bezieht. Wilhelmi erwähnt ja, dass er diese Geschichte des Hofbäckers Görtz von Hempel hat. Aber wo finde ich das Hempelsche Schriftstück? Ich vermute nämlich, dass in diesem noch viel mehr Information zu finden ist und Wilhelmi nur eine verkürzte Fassung angegeben hat. Hempel war von 1734 bis 1743 in Dargun von Augusta als Arzt angestellt. Die von Wilhelmi genannte Geschichte um den verwirrten Hofbäcker muss sich um 1736 zugetragen haben.

Beste Grüße

Bernd

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Hallo Bernd,

bitte bei Suchanfragen immer die ausgewerteten Quellen mit Link angeben.
Nachfolgen 2 Auszüge aus: Geschichte Meklenburgs mit besonderer Berücksichtigung der Culturgeschichte von Ernst Boll, Band 2 (1856).

Link: Google Books

Gruß
Andreas (Meininger)


Link zum Titel

Sehr geehrter Herr Görtz,

Im Link von Herrn Meininger ist es die digitale Seite 15.

Allzeit viel Forschererfolg wünscht nebst einem schönen Abend

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Peren

Hallo Andreas,

vielen Dank für diesen Hinweis und entschuldige bitte, dass ich meinte mit der Angabe von Wilhelmi und dem Hinweis auf Dargun zur Zeit der Augusta wäre das Dokument schon ausreichend benannt.

Was der Ernst Boll hier schreibt, bezieht sich zweifellos auf den Hofbäcker Görtz in Dargun und auf seine Ehefrau. Es wird jedoch nicht mehr berichtet als bei Wilhelmi auch zu lesen ist. Nun bezieht sich aber Wilhelmi weder auf Ernst Boll noch auf Georg Theophil Adamsen sondern auf den Dr. med. Jochim Jasper Johann Hempel, der von 1734 bis 1743 in Dargun am Hofe tätig war. Ich vermute also Hempel als den originären Berichterstatter, obwohl ich die Schrift von Adamsen auch sehr interessant finde. Die scheint aber noch nicht digitalisiert worden zu sein. Frage ist, wie ich da herankomme.

Nochmals herzlichen Dank

Und Grüße

Bernd (Görtz)

Jetzt komme ich ins Schleudern! Wenn ich auf Google Books gehe ist es doch die Seite 427.

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Richtig, auf der digitalen Seite 15 ist das Inhaltsverzeichnis angegeben und wenn man es anklickt kommt der Text auf Seite 427. Danke.

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Das Dokument zu Adamsen findet man unter

https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN685386317&PHYSID=PHYS_0023&DMDID=DMDLOG_0001

Auch darin wird die Geschichte des Hofbäckers Görtz mit Frau genannt, jedoch entspricht sie fast identisch dem Wilhelmi.

Hallo Bernd,

nachfolgend Hempel u. Wilhelmi in: Mecklenburgische Ärzte von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart (1901).

Gruß
Andreas (Meininger)

Willgeroth, Gustav; Blanck, August; Wilhelmi, Axel;
Die mecklenburgischen Aerzte von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart
Schwerin : Verl. d. Landesgeschäftsstelle d. Meckl. Ärzteverbund. , 1929

http://purl.uni-rostock.de/rosdok/ppn6902557

Hallo Andreas,

vielen Dank. Dass der Hempel in Neustrelitz starb, wusste ich noch nicht. Vielleicht bekomme ich jetzt auch etwas über seine Frau heraus, die eine Kammerjungfrau der Herzogin Augusta war.

Heinrich Wilhelmi, der den Aufsatz zu den Darguner Pietisten schrieb, wird der Vater des Axel Wilhelmi gewesen sein.

Beste Grüße

Bernd (Görtz)

Hallo Bernd,

nachfolgend Wilhelmi, Heinrich Friedrich Wilhelm, 1866-1877 Pfarrer zu Brudersdorf in Die Mecklenburg-Schwerinchen-Pfarren seit dem dreißigjährigen Kriege v. Gustav Willgeroth, Bd. 1, S. 544.

Link:
http://www.rainer-doerry.de/Ahnenforschung/html/mecklenburg.html

Gruß
Andreas (Meininger)

Hallo Andreas,

danke und Gruß

Bernd (Görtz)

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