Liebe ListenfreundInnen,
ganz herzlichen Dank für die umfangreiche Hilfe im Jahr 2011, ein besinnliches Weihnachtsfest und eine guten Rutsch ins Neue Jahr. Nachfolgend ein Weihnachtsgedicht aus dem
Neustädter Kreisboten vom 24.12.1911
Nasse Weihnachten
Einst war es Sitte, daß am Weihnachtstag
der Schnee fast meterhoch am Boden lag,
da zauberten die frostigen Gespenster
die schönsten Silberblumen an die Fenster,
und kam die Nacht, so leuchtete der Welt
das ganze Sternenheer am Himmelszelt.
Doch ach, die Zeit ist hin und längst verflossen,
die letzten Jahre hat es stets gegossen,
die Luft war mild, und hinterm Wolkenflor
sah nicht ein einzig Sternelein hervor,
wenn sich Knecht Ruprecht auf die Reise machte
und seine Gaben für den Christbaum brachte.
Den Schafspelz und die Bärenmütze trägt
er nimmermehr und hat sie abgelegt.
Schon um die Weihnacht neunzehnhundertzehn
hat man in Sommerkleidern ihn gesehn;
doch heuer ist der Thermometerstand
bei uns fast höher als im Wüstensand,
so daß der gute Greis von Kopf bis Fuß
sogar im Strandkostüme schwitzen muß.
Es scheint, als ob auf unsrer Hemisphäre
die Wärme sich von Jahr zu Jahr vermehre,
und daß sie Luft, wofern der Schein nicht trügt,
sich immer wärmer an den Leib uns schmiegt.
So ist des Menschen äußere Umgebung,
in seinem Innern aber ist die Hebung
des Wärmegrades nicht zu konstatieren;
da pflegt er stets im gleichen Maß zu frieren,
da schmilzt die harte Eisschicht nicht so bald,
das Herz bleibt leider immer noch zu kalt.
Drum hadert nicht, wenn euch der Außenwelt
stilloses Wetter nicht so ganz gefällt,
bemüht euch lieber, daß auf unsrer Erde
der innre Mensch ein wenig wärmer werde!
Ihr fragt: auf welche Art und Weise? Nun,
bei einen wird’s ein guter Vorsatz tun,
beim andern tut’s vielleicht ein heißer Punsch.
Das es gelinge, ist mein Weihnachtswunsch.
Viele Grüße aus Weimar Euer Egbert Seidel