"Peter TEUTHORN" <p@teu-net.de> schrieb:
Hallo an alle, die Vorfahren mit landwirtschaftlichen Berufen haben,
Landmann ist ja eigentlich klar. Bauer! Aber da fängt mein Problem an,
denn da es mir ja geht um sozialen Hintergrund geht, wäre natürlich
interessant, ob dies zu der fraglichen Zeit ein allgemeiner Begriff war,
Rückschlüsse auf Selbständigkeit oder Abhängigkeit zulässt etc.Es geht konkret um <Johann Schröder, Landmann in Scholen> [rund 50 km
südlich Bremens], Zeit = erste Hälfte 19. Jh.
Hallo Peter,
dazu paßt der Artikel Bauer aus "Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. - Conversations-Lexikon".
Zehnte, verbesserte und vermehrte Auflage.
In funfzehn Bänden.
Zweiter Band.
Atmosphäre bis Blutgefäße.
Leipzig:
F. A. Brockhaus.
1851
BAUER und BAUERNSTAND. Die Gesammtheit Derer, welche das platte Land bewohnen, nennt man die ländliche Bevölkerung. Insoweit sie sich daselbst den mit den Landbau zusammenhängenden Verrichtungen ergeben, so bilden sie den schon etwas engeren Begriff des Landvolks. Die Leiter und Vorsteher der einzelnen Landbauunternehmungen sind die Landwirthe. Der noch weiter begrenzte Begriff des Bauernstandes beruht zunächst auf geschichtlichen, rechtlichen und politischen Momenten. Er umfaßt nämlich die Eigenthümer mittlerer und kleinerer landwirtschaftlich benutzter Landgüter, welche bis auf die neueste Zeit dem Staate oder Privaten gegenüber gutsunterthänig, lange Zeit in vielen Ländern selbst Leibeigene waren, häufig nur ein unvollkommenes Eigenthum hatten, und mannichfaltigen privatrechtlichen Verpflichtungen und Belastungen unterlagen. (S. Grundeigenthum, Frohnen, Zehnten.) In dem nördlichen und östlichen Deutschland beruhte dieses Verhältniß ohne Frage auf der Eroberung, sofern sich hier eine germanische Bevölkerung, ihre alten, von den Slawen eingenommenen Sitze wieder erkämpfend, unter einer slawischen Bevölkerung zur Herrschaft erhob. Hier hat auch das Verhältniß seine schroffste Spitze erreicht, und ist überall um so härter gewesen, je ungemischter die slawische Bevölkerung war. Dagegen floß das Verhältniß im südlichen und westlichen Deutschland mehr aus dem allgemeinen politischen Verhältnissen des Mittelalters, trug in seinen Grundlagen einen gemäßigtern Charakter, ist aber überall durch Misbrauch der Gewalt, der Stellung und der Bildung ausgedehnt worden, bis es in den neuern Zeiten wieder, unter dem Einflusse gestiegener Einsicht und Humanität gemildert und endlich in vielen Ländern gänzlich beseitigt wurde. Gegen die am Ende des Mittelalters, wo der Sinn, welcher manche Härten seiner Einrichtungen gemildert hatte, entschwunden war, am grellsten hervorstretenden Misbräuche der Gewalt erhob sich der Bauernstand, für den Augenblick in Folge seiner eigenen rohen Ausschreitungen unglücklich, in den weiteren Wirkungen aber doch nicht ohne Erfolg, in den Bauernkriegen (s. d.), wie sich auch ähnliche Ausbrüche in Frankreich schon lange vorher ergeben hatten. Der Bauernstand ist nach oben und unten unterschieden. Er hat über sich die Besitzer der größern, früher bevorrechteten Güter, den Landadel, die Rittergutsbesitzer, unter sich die ländlichen Lohnarbeiter und bloßen Insassen, Gärtner, Häusler, Hüttner und Miethsleute, neben sich die Pächter. Auch in sich selbst ist er gegliedert, und seine innern Unterschiede werden bis auf die neueste Zeit in manchen Gegenden noch mit sehr aristokratischem Stoplze bewahrt. Man unterschied große Bauern, worunter man namentlich die pferdehaltenden Bauern verstand und sie nach der Zahl ihrer Gespanne in Vier-, Drei- und Zwei- oder Halbspänner abtheilte, und kleine Bauern, welche ihr weniges Feld meist mit Kühen bestellten. Schwerlich hat irgendein Stand der neuern Zeit so viel zu verdanken, wie der Bauernstand. Es ist ihm möglich gemacht worden, sich unter billigen Bedingungen von den privatrechtlichen Lasten loszumachen, unter deren Drucke er seine Güter übernommen hatte. Die Steuer- und Rekrutirungslast, die ihm früher vorzugsweise auflag, ist durch Gleichstellung aller Staatsbürger für ihn gemildert worden. Er ist gegen die Willkür von Grundherren und Obrigkeiten geschützt, in seiner ganzen bürgerlichen Stellung gehoben, und selbst zur Theilnahme an der Volksvertretung berufen worden. Noch kleben ihm manche Eigenschaften an, welche die Folge früherer Erfahrungen waren: Mistrauen namentlich, Unlenksamkeit, Kargheit und stets gegen außen gewappnete Selbstsucht. Auch blieb er starr und hängt oft mehr als gut ist am Hergebrachten. Im Ganzen aber hat seine ganze Lebensweise einen tüchtigen Kern in ihm erhalten, der auch durch die neue Schale hindurchbricht. Seit der Bauer aus seinen geschichtlichen Abhängigkeitsverhältnissen gezogen worden, lebt er unabhängiger als der Gewerbtreibende, der sich nach seinen Kunden richten muß, und unabhängiger als der Städter überhaupt, dem die dichtgedrängten Umgebungen Rücksichten auflegen. Verbreiten sich die Fortschritte langsamer über das Land, so greifen hier doch auch Laster und Irrwahn weniger rasch um sich. In der neuern Zeit aber haben sich Bildung und Selbstgefühl wesentlich unter dem Bauernstande gehoben.
Im DUDEN "Das Herkunftswörterbuch" heißt es:
BAUER >Landmann, Landwirt<: Das Substantiv ist nicht vom Zeitwort >bauen< abgeleitet, sondern gehört zu ahd. bur >Haus<. Mhd. bur(e), gebur(e), ahd. geburo bedeuteten zunächst
Mitbewohner, Nachbar, Dorfgenosse<. Erst die soziale Entwicklung im Mittelalter machte >Bauer< zur Berufs- und Standesbezeichnung und ließ in der Anschauung der anderen Stände (besonders Adel und Bürgertum) den Nebensinn >grober, dummer Mensch< entstehen. In der ländlichen Sozialordnung bezeichnet >Bauer< den vollberechtigten Hofbesitzer im Gegensatz zum Häusler oder Kätner.
Viele Grüße
Heinz (Muhsal)
Dies ist wahrscheinlich mein letzter Beitrag bis zum 18. August.
Morgen fahre ich nach Yokohama zum Esperanto-Weltkongreß.