Ca. 200 Jahre alte Archivalie der Gemeinde Bischoffen/Hessen abzugeben

Vor ca. 15 Jahren hatte ich als seit Jahrzehnten im ehemaligen Ostpreußen
aktiver Familienforscher bei ebay eine mit Königsberg/Preußen angebotene
Archivalie zur Sicherung für das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
in Berlin Dahlem, welches heute u.a. die Bestände des früheren Staatsarchivs
Königsberg beherbergt, ersteigert. Es handelt sich jedoch nicht um eine Akte aus
der Region Königsberg in Ostpreußen, sondern um eine Akte der Gemeinde
Bischoffen im früheren Amt Königsberg/Hessen.

Auf meine damalige telefonische Anfrage zur Herkunft der Akte an die
Verkäuferin, eine Archivarin, antwortete mir diese, dass die Akte aus dem von
ihr angekauften Bibliotheksnachlass eines in der Region forschenden, inzwischen
verstorbenen (Geschichts?-)Professors stamme.

Da ich über eine Vorfahrenlinie Bezug in die Lahn-Dill-Region habe - mein
4-Urgroßvater Martin Hütt oo Anfang des 19. Jahrhundert Juliane Hütt, deren
Hütt-Vorfahren 1723 aus Burbach [vormals war die Familie in Haiger ansässig]
nach Preußisch Litauen ausgewandert sind - und der Name des Adelsgeschlechts des
Nachbarortes von Bischoffen "von Bicken" im 16. Jahrhundert auf dem Nachbargut
meiner Vorfahren an der damaligen preußisch-polnischen Grenze erscheint, blieb
die Akte zunächst liegen, aus Zeitmangel kam/komme ich nicht zu der kurzzeitig
angedachten Abschrift und Publikation.

Es handelt sich gemäß der von "junger Hand" (wohl vorgenanntem Professor) mit
Blei auf der derzeitig 1. Seite sauber vorgenommenen Titulierung um die "Beilage
einer Jahresrechnung der Gemeinde Bischoffen, Amt Königsberg, NW Gießen, und
unweit von Herborn"

Die Akte umfasst zunächst 11 (als Lit. B bis Lit. N gegliedert - Lit. A ist
durchgestrichen - ) vom damaligen Schultheißen Pabst und/oder dem Bürgermeister
Johann Peter Koch erstellte Hebe- und Frohnregister zu Bischoffen sowie den
Orten/Ortsteilen Niederweibach, Karbach, Wilsbach, Oberweibach, Altenkirchen und
Ahrd (soweit ich die Namen richtig gelesen habe). Die einzelnen Register haben
jeweils über sechs bis sieben Seiten gehende Namenslisten mit Tauf- und
Familiennamen, manchmal Ergänzungen zum Familienstand wie Wittwe oder Erben,
samt den gezahlten/erhaltenen Geldbeträgen hinter jedem Namen.
Danach folgen als Zahlungsbelege ca. 75 durchnumerierte Quittierungen für Lohn-
und Frohngeld-Zahlungen aus der Gemeindekasse an diverse Empfänger/Bewohner mit
deren Unterschriften, u.a. für an das Amtshaus gelieferte Getränke wie
Branntwein und Bier, Schreibmaterialien, Gelder für die Gemeinde geleistete ca.
70 Fuhrdienste samt Auflistung der jeweiligen Leistunsgerbringer/Fuhrleute mit
deren Unterschriften, Reisekosten- bzw. Wegegeldabrechnungen über das Jahr 1817
für den Schultheißen und andere Gemeindebedienstete, aus denen ihre Tätigkeiten
und der Aktionsraum zu rekonstruieren sind (Orte u.a. Herborn, Bischoffen,
Gießen, Offenbach, Königsberg).

Die Laufzeit der Akte ist hauptsächlich das Jahr 1817, wie aber auch einige
Schreiben mit 1816, 1818 und 1819 datiert sind.

Die Schriftststücke sind in alter Zeit vom Buchbinder im Hinblick auf das
Folio-Format der größten Blätter zu einem Band im Folio-Format (etwas höher als
unser heutiges DIN A4) per noch intakter Fadenbindung (keine losen Blätter)
gebunden worden. Die Größe der einzelnen Blätter variiert zwischen dem
Folio-Format, ca. halbem Folio-Format und Blättern im kleineren Zettelformat bei
den Quittierungen. Rückseitig ist der leicht "erodierte" (in diesem auch wenige
Fraßlöcher) Aktendeckel in dickerem, blauen Papier erhalten, der Aktenrücken ist
weitestgehend "erodiert", der vordere Deckel fehlt ganz.
Das Papier ist minimal gebräunt, auf wenigen Seiten randlich stärker gebräunt.
Die Tinte ist altersgemäß minimal verblasst, die Schrift insgesamt sehr gut
lesbar. Auf wenigen (vielleicht drei oder vier) Blättern ist an einigen
wenigen Buchstaben leichter Tintenfraß gegeben. Die Akte ist insbesondere
zwischen dem hinteren Aktendeckel und den vorgebundenen Blättern noch in dem
leicht angeschmutzten Zustand, wie sie wohl in ihrem langjährigen Lagerort
gefunden wurde.

Nach meiner Zählung umfasst die Akte inkl. rückseitigem Aktendeckel 145 Blatt
(290 Seiten).
Den Zustand der Akte würde ich insgesamt als "zwei minus" bezeichnen, z.B.
problemlos vorlagefähig in einem Archivlesesaal.

Der seit Erstellung weitestgehend unberührte Zustand der Akte sowie eine
fehlende, durchlaufende Paginierung und ein fehlender Besitzverweis geben Anlass
zu der Annahme, dass die Akte bislang in keinem modernen Archiv aufbewahrt bzw.
inventarisiert wurde, sondern vielleicht bei einer Entrümpelungsaktion des
Gemeindehauses Bischoffen ihrer Vernichtung entgangen ist und anderweitig
zufällig die Zeit überdauert hat.

Wegen ihres Inhalts ist die Akte meiner Einschätzung nach als bedeutsam für die
Bischoffener Orts- und Familiengeschichte einzustufen, zumal für Bischoffen
gemäß HADIS ansonsten offenbar keine derartige Aktengattung aus dem ersten
Quartal des 19. Jahrhunderts überliefert ist.

Da die Akte in einem Archiv definitiv besser als in Privathand aufgehoben wäre
und gemäß HADIS sich Archivalien der Gemeinde Bischoffen aus der Zeit um 1800 im
Hessischen Staatsarchiv Marburg befinden, habe ich vor einigen Monaten diesem
die Akte zum Selbstkostenpreis zur Übernahme angeboten (Archive haben einen
Buged zum Ankauf von Archivalien). Da Bischoffen gemäß aktueller regionaler
Zuständigkeit der hessischen Staatsarchive aktuell im Wiesbadener Archivsprengel
liegt, sandte ich eine Kopie der email an das Wiesbadener Archiv.
Nach drei Wochen wurde mir vom HSTA Marburg geantwortet, dass in der Tat ein
kleiner Bestand aus Bischoffen in Marburg liege, die archivische Zuständigkeit
(für Bischoffen) heute beim HHSTA Wiesbaden liege, seit Anfang des Jahres 2013
die hessischen Staatsarchive aufgrund einer Gesetzesänderung jedoch nicht mehr
für die Übernahme von kommunalem Archivgut zuständig seien und stattdessen die
hessischen Kommunen die Archivierung ihrer Unterlagen in eigener Zuständigkeit
im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit regeln. Ich möge daher mein
Anliegen an die Gemeindeverwaltung Bischoffen richten - was ich dann auch unter
Zitierung der Empfehlung des Staatsarchiv Marburg sowie des HArchivG vom 26.
November 2012, § 19, getan habe.
Da seitens der Gemeinde Bischoffen seit inzwischen mehr als einem Monat keine
Reaktion erfolgte, deute ich dies so, dass dort kein Interesse an einer
Rücknahme der Akte besteht.

Laienhaft bin ich davon ausgegangen, dass der § 19 des aktuellen hessischen
Archivgesetzes das Hessische Landesarchiv primär vor einer Überflutung durch
die Zunahme von Gesetzen und Verwaltungsvorgängen immer weiter anwachsendem,
rezent und künftig entstehendem kommunalen Archivgut schützten soll. Dass diese
Regelung auch für die mutmaßlich eine Ausnahme darstellende Übernahme von
mehrere Jahrhunderte altem Archivgut einer kleinen Dorfgemeinde angewandt wird,
von der bereits gleich alte Akten im Bestand vorhanden sind, überraschte mich,
da kleine Gemeinden weder räumlich noch personell auf die Archivierung und
Verwaltung historischer Aktenbestände eingestellt sein dürften.

Festzustellen bleibt, die Übernahme einer kommunalen Archivalie vom Beginn des
19. Jahrhundert durch ein Hessisches Staatsarchiv wäre nach § 19 des geltenden
Hessischen Archivgesetz rechtswidrig, die für die Archivalie offiziell
gegebenenfalls zuständige Erzeugergemeinde hat kein Interesse an der Rücknahme
ihres Altpapiers signalisiert.

Bevor die Akte wieder zurück in die elektronische Bucht schwimmt, wollte ich sie
hiermit einem in der Region Bischoffen tätigen Familienforscher bzw. einer
Forschergruppe inkl. versichertem Versand als DHL-Paket zum Selbstkostenpreis
von 150 Euro zur Übernahme zur Verfügung stellen. Bei Interesse bitte ich um
eine Nachricht an meine email-Adresse.

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Brozio