Brasilienauswanderung in der Saarbrücker Zeitung

hab ich jüngst in der SZ gefunden:

Bischofsbesuch in Oberlinxweiler
Oberlinxweiler (np). Einen besonderen Gast konnte Ortsvorsteher Jürgen Zimmer
kürzlich in Oberlinxweiler begrüßen: Dom Zeno Hastenteufel, der Bischof der
Diözese Frederico Westfalen im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do
Sul, besuchte auf seine Einladung hin die sechs jungen deutschstämmigen
Brasilianer aus São Vendelino, die zurzeit einjährige Berufspraktika im Kreis
St.Wendel absolvieren. Dom Zeno stammt aus Barão, einer Nachbargemeinde von
São Vendelino, dem Heimatort der Praktikanten. Wie er erzählte, lag der
Bauernhof seiner Eltern näher am Zentrum von São Vendelino lag als an dem von
Barão. Deshalb ging er als Kind nach "St.Wendel" zur Kirche und zum Einkaufen
- sechs Kilometer eine Strecke - und kennt die Familien der Praktikanten gut.
Zeno Hastenteufel wurde 1946 in der "Franzosenschneis" die zu dem Ort Barão
(Aussprache: "Barong") gehört, geboren. Barão wurde um 1845 von einem
deutschen Baron gegründet und hieß deshalb früher "Baron". Hier wurde
Hastenteufel auch 1972 zum Priester geweiht. 1985 promovierte er an der der
Gregorianischen Universität des Vatikans, seine Doktorarbeit schrieb er über
ein kirchengeschichtliches Thema. Vor der Bischofsweihe im März diesen Jahres
war er Direktor der theologischen Fakultät der Katholischen Universität von
Rio Grande do Sul in Porto Alegre (Purcs) und Professor für
Kirchengeschichte.
Auch als Bischof von Fredrico Westfalen, einem Bistum mit überwiegend
italienischstämmiger Bevölkerung, fühlt er sich immer stark seiner Heimat
Barão und São Vendelino verbunden. So kam er bei seinem einwöchigem
Aufenthalt im Saarland - seit rund 20 Jahren kommt er regelmäßig nach
Lebach-Gresaubach - gerne nach Oberlinxweiler, um sich über das
deutsch-brasilianische Praktikantenprojekt zu informieren. Dabei zeigte er
sich beeindruckt von den Aktivitäten des Deutsch-Brasilianischen
Freundeskreises, die dessen Vorsitzender Klaus Lauck vorstellte. Die jungen
Brasilianer empfingen ihren Gast natürlich mit dem in Südbrasilien
obligatorischen Mate-Tee (Chimarão) und mit echt brasilianischem Spießbraten
(Churrasco). Bischof Hastenteufel wollte von den jungen Brasilianern wissen,
wie es ihren Eltern geht, mit denen er als Kind so gerne Fußball gespielt und
in São Vendelino die Messe gedient hat. Zum Abschied dankte ihm der
Oberlinxweiler Ortsvorsteher Jürgen Zimmer und überreichte ihm als Erinnerung
schließlich einen neuen Bildband über das Saarland.
http://www.sz-newsline.de/wnd/GEDBA679_1.php3

Durch die Hölle direkt ins Paradies
Die beschwerliche Reise in die neue Heimat nach Brasilien - "SZ"-Serie: Die
Zeit der Auswanderung/Teil 3
- Von JÜRGEN ZIMMER -
Kreis St. Wendel. Nach seiner Unabhängigkeit im Jahr 1823 wollte das junge
Kaiserreich Brasilien das Land bevölkern und gleichzeitig die Südgrenze gegen
Argentinien schützen. Dass die Werbung von Siedlern insbesondere in
Deutschland betrieben wurde, ist auf den Einfluss der brasilianischen
Kaiserin Leopoldine zurückzuführen, die aus dem Haus Habsburg in Österreich
stammte.
Die Werbeaktion des deutschen Majors Anton von Schaeffer brachte den
gewünschten Erfolg: Die von Kriegen, Missernten, Hunger und Armut zermürbte
Bevölkerung glaubte, in Brasilien das Paradies zu finden. In einem der
Lieder, die noch lange von den Auswanderern und ihren Nachfahren in der neuen
Heimat gesungen wurden, hieß es zum Beispiel:
"Und nicht geweint, geweint zu sehr,
wir sehn uns heut und nimmermehr.
Der Kaffee wächst auf jedem Strauch,
und frei steht jedem der Gebrauch,
der Türksche Weizen ist gesund,
oft wiegt die Ähre bis zehn Pfund.
Die großen Fische wie bekannt,
die fängt man mit der bloßen Hand;
die Karpfen sind bei meiner Ehr,
oft bis zum halben Zentner schwer.
Kartoffel gibt's wie Marzipan,
an jedem Stock drei Scheffel dran;
Wir ziehn ins Land, wo immer grün und selbst im Winter Rosen blühn."
Wie beschwerlich der Weg in dieses Paradies war, erfuhren sie aber erst,
nachdem sie alle Brücken hinter sich abgebrochen hatten: Waren Hab und Gut
erst einmal verkauft, so begann eine beschwerliche Reise, die oft fast ein
Jahr dauerte, und deren Ziel viele nicht erreichten. So war Mathias Franzen
aus der Nähe von Trier insgesamt 40 Wochen unterwegs: von Trier bis Bremen
brauchte er vier Wochen, dann musste er in Bremen 13 Wochen warten und in
Bremerhaven weitere zwei Wochen. Die Überfahrt nach Rio dauerte zwölf Wochen.
Nach einem Aufenthalt von sieben Wochen ging es dann noch zwei Wochen lang
mit einem Küstenschiff nach St. Leopoldo.
Nach der beschwerlichen Landreise kamen die Auswanderer aus unserer Region in
Bremen an. Der größte Teil der Auswanderer hatte noch nie zuvor ein Schiff
gesehen. Jetzt wurden sie wie eine Ware eingeladen und im Zwischendeck, das
auf der Herfahrt mit Zucker oder Kaffee beladen war, eingepfercht. Je mehr
Menschen transportiert wurden, desto höher war der Profit. Und so heißt es in
einem zeitgenössischen Bericht: "Je mehr Köpfe nun in ein Schiff hinein
gepfropft und gezwängt werden können, je geringer die Kost ist, welche diese
Unglücklichen erhalten, desto größer der Gewinn." Zu der Enge des Raumes
kommt noch der Mangel an Bewegung, an die der Landmann gewöhnt ist, die
schrecklichen Folgen der Seekrankheit, der besonders Frauen und Kinder
unterliegen, die knappen Mundportionen, und das kärgliche und schlechte
Wasser.
In den ersten Jahre mussten sich die Passagiere für die Überfahrt sogar noch
selbst mit Lebensmitteln versorgen. Aber wer wusste schon, wie lange die
Fahrt dauern würde und welchen Proviant eine Familie brauchte? So starben
viele unterwegs oder kamen unterernährt und krank in Brasilien an.
Ein recht plastisches Bild von diesen Verhältnissen vermittelt der Brief des
Niederlinxweilers Johann Friedrich Löbian, der ursprünglich aus Hangard
stammte. Es finden sich auch die Schreibweisen Böbian und Bevian. 1833, fünf
Jahre nach seiner Auswanderung, schrieb er einen langen Brief an seine
Tochter Luise, die mit Jakob Lind aus Niederlinxweiler verheiratet war.
Mit seinen zwei Töchtern und dem Schwiegersohn Friedrich Werkle war er von
Bremen ab mit dem Schiff Olbers (oder Albers) "3 Tage vor Michaelis 1828 in
die hohe See eingesegelt. Auf dem Schiff befanden sich auch die Familien Noé
und Volz aus Niederlinxweiler und Schwingel aus Oberlinxweiler.
Während der Überfahrt starben seinem Bericht zufolge 33 Kinder, während 42
geboren wurden, "auch sieben Frauen raubte der Tod". Nach fast dreimonatiger
Überfahrt lief die Olbers wenige Tage vor Weihnachten in Rio de Janeiro ein.
Drei Wochen später heiratete seine Tochter Katharina in Rio Jakob Adamy aus
Schmidthachenbach bey Kirn. Schon bald stellte sich Nachwuchs ein, denn "8
Tage nach ihrer Hochzeit schenkte Gott meiner Tochter Katharina einen jungen
Sohn". Demzufolge muss es also schon früh auf der langen Landreise von
Niederlinxweiler nach Bremen zwischen Katharina Löbian und Jakob Adamy
gefunkt haben. 14 Wochen mussten die Löbians warten, bis sie mit einem
Küstensegler nach Porto Alegre gebracht wurden. Hier starb der Schwiegersohn
Friedrich Werkle, und auf der letzten Etappe nach São Leopoldo nahm Gott das
Kind meiner Tochter Katharina wieder zu sich. Auch die beiden Töchter wurden
"auf der letzten Reise von Tödlicher Krankheit überfallen, womit sie ein
Vierteljahr behaftet waren. Der Allgütige Gott erhielt sie mir."
Im Oktober 1929 erwarb Löbian dann endlich mit seinem Schwiegersohn Adamy
seine Kolonie. Nach all den Beschwernissen hatte er dann doch noch sein
Paradies gefunden. Ausführlich beschrieb er in seinem Brief, was alles
gepflanzt werden kann, und wie reichhaltig die Ernten sind. "Fleisch essen
wir alle Tage und Abgaben haben wir hier noch nicht." Das war in der alten
Heimat ganz einfach unvorstellbar.
Auch 12000 Kilometer von der Heimat entfernt lebten die Saarländer fast unter
sich: Die "Landes Leute von Niederlinksweiler wohnten nur zwei Stunden
entfernt, auch Jakob Schwingel von Oberlinksweiler wohnt 2 Stunden von uns in
einer anderen Wald-Pikade und Thomehs Tochtermann von Sankt Wendel wohnt drei
Stunden von uns."

Quellen: Neue Heimat Brasilien von Hansheinz Kellner, Bad Kreuznach 1963;
Die Grumbiern wie ein Kopp so groß von Hildegard Werle Fauser, im Internet
unter der Adresse http://santa-catarina.net/Brasilien/Grumbiern/, Deutsche
Einwanderer in São Leopoldo 1824 - 1937, Wilhelm Wolf, Neustadt 1964

http://www.sz-newsline.de/wnd/GRPB7I0V_1.php3