Bitte um Lese-/Übersetzungshilfe (Latein): KB Markt Erlbach (Dekanat Neustadt/Aisch) - Ergänzende Frage

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor ein paar Tagen veröffentlichte ich hier und auf der GFF-Liste meine Bitte um eine Lese-/Übersetzungshilfe aus dem KB von Markt Erlbach:
Permalink: http://www.archion.de/p/cb86a07f85/
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Es sind zwei Transkriptions- und Übersetzungsvorschläge eingegangen (vielen Dank dafür an die Herrn Dr. Thomas Schörner und Werner Arnholdt!), die sich allerdings in einem (wesentlichen) Detail unterscheiden. Deshalb erneuere ich meine Bitte an die Schrift- und Lateinkundigen, einen Blick auf den Eintrag zu werfen. Vielleicht läßt sich ja die Detailfrage klären.
Hier nun die beiden Transkriptionen und Übersetzungen:

  1. Sponsae prioris Mariti nomen de suppl[emen]tu (?) hoc [tem-]pore meminisse religio mihi fuit, ut […?] qui 19 Maji A[nno] 1694, quem colleg[a] immisit, laquei vitam finivit.

An den Namen des früheren Ehemanns der Braut zur Ergänzung (?) zu dieser Zeit zu erinnern, ist für mich Sorgfaltspflicht gewesen, […?] der am 19. Mai 1694, den der Kollege einschrieb (?), als herrschaftlicher Diener sein Leben beendete.

  1. „Sponsae prioris mariti nomen de suggestu …(?) pore (?) meminisse, religio mihi fuit, utpote (??) qui 19. Maji A. 1694, quem collega(?) immihit (?), laqueo vitam finivit.“

(Sinngemäß): An den Namen des früheren Ehemanns der Braut von der Erhöhung (= Kanzel?) zu erinnern, bereitete mir religiöse Gewissensskrupel, da dieser, den ein Kollege bestattete(?), am 19. Mai 1694, sein Leben mit einem Strick beendete.

Die Frage ist nun, ob es sich hier beim ersten Ehemann der Braut um einen Selbstmörder handelt oder um einen herrschaftlichen Diener. Merkwürdigerweise wird ja der Name des Betreffenden nicht genannt.

Zum genealogischen Hintergrund, soweit er mir bekannt ist:

Bei der Braut handelt es sich (vermutlich, aber keinesfalls sicher) um Apollonia Weinreich (* Oberndorf b. Ipsheim, get. 20.1.1649 Windsheim), die am 22.4.1673 in Markt Erlbach den Bauern Sixtus Ell (* Mettelaurach, get. 22.5.1649 Markt Erlbach) heiratete. Im Trauungseintrag vom 5.2.1695 (um den es bei meiner Anfrage geht) wird die Braut nur als Apollonia Ell bezeichnet, also weder als Tochter von … noch als Witwe von …, was doch recht ungewöhnlich ist. Es stellt sich nun die Frage, ob die Braut von 1695 „meine“ Apollonia Weinreich ist. Der Genealogie Wendel (Wendel-Archiv der GFF) hat dies angenommen, sich aber leider mit dem lateinischen Zusatz im Trauungseintrag von 1695 nicht weiter auseinandergesetzt. Für den Sixtus Ell gibt es im KB Markt Erlbach im fraglichen Zeitraum keinen Begräbniseintrag. Die umliegenden Pfarreien habe ich noch nicht abgegrast. Zusätzlich verwirrend wird der Fall durch dem Umstand, daß es im KB Markt Erlbach am 17.4.1720 einen Begräbniseintrag einer „Apollonia Ellin, Wittib zu Mettelaurach“ gibt, ohne Hinweis auf den verstorbenen Ehemann (der eigentlich der Blasius Häfner sein müßte, wenn sich der Trauungseintrag von 1695 auf sie bezieht). Die Altersangabe im Begräbniseintrag (71 Jahr, 6 Monat) paßt relativ gut zum Geburtsdatum der Apollonia Weinreich.

Ich würde mich sehr freuen, wenn es gelingen würde, dieses Problem einer Lösung zuzuführen, und bedanke mich schon im Voraus für Hinweise und Vorschläge.

Viele Grüße

bruno (Bauernschmidt)

Hallo Herr Bauernschmidt,

ich lese wie folgt:
„Sponsae prioris mariti nomen de suggestu hoc te[m]pore meminisse religio mihi fuit, utpote [nämlich] qui 19 Maji A. [Anno] 1694, quem collo… immisit, laqueo vitam finivit.“

Nach meiner Meinung hat der erste Ehemann der Braut sein Leben durch den Strick („laqueus“, Ablativ „laqueo“ durch den Strick) beendet. Ich vermute, dass „collo…“ [„colloque“?] in Verbindung mit „immisit“ so etwas wie „den Hals in die Schlinge legen“ bedeutet („collum“: Hals, Genick, Nacken), also sinngemäß: „hat den Hals in die Schlinge gelegt und mit der Schlinge das Leben beendet“. Leider lässt sich ja durch die enge Bindung die Schrift im Falz nicht lesen. In den Kirchenbüchern von Markt Erlbach und Wilhermsdorf sowie in katholischen Kirchenbüchern konnte ich den Sterbeeintrag von 1694 auch nicht finden.

Viele Grüße
Thomas Pöhlmann

Hallo Herr Bauernschmidt,
mir erscheinen die Übersetzungen von Herrn Pöhlmann und Herrn Arnholdt sehr plausibel, insbesondere auch im Hinblick auf die fehlende Nennung des ersten Ehemanns im eigentlichen Traueintrag und das Fehlen von dessen Sterbeeintrag.
Viele Grüße
Thomas Schörner

Hallo Herr Pöhlmann,
auch Ihnen herzlichen Dank für die Übersetzung. Es wird sich also vermutlich um einen Selbstmord handeln, oder käme auch eine Hinrichtung infrage? Wo hätte die stattgefunden?
Noch eine Zusatzfrage: Ist es im Fall eines Selbstmordes denkbar, daß der Pfarrer (aus religiösen Gründen) ganz auf einen Eintrag im Begräbnisbuch verzichtet hat?

Viele Grüße
Bruno Bauernschmidt

Hallo Herr Bauernschmidt,

es liegt hier ein Selbstmord durch Erhängen vor und keine Hinrichtung. Ich habe leider keine Vergleichsbeispiele aus jener Zeit, um das Fehlen des Sterbeeintrags in den Begräbnisbüchern sicher belegen zu können. Auf jeden Fall wurden Selbstmörder nur in speziellen Arealen der Friedhöfe beerdigt, z.B. an der Friedhofsmauer. Aus Rehau kenne ich es, dass Selbstmörder bei einem ehemaligen Turm der Friedhofsmauer verscharrt wurden.

Viele Grüße
Thomas Pöhlmann

-------- Originalnachricht --------

Guten Morgen,
ich möchte mich nochmals abschließend bei allen Beteiligten für die
große und sehr engagierte Hilfe beim Transkribieren und Übersetzen des
lateinischen Zusatzes im Trauungseintrag KB Markt Erlbach von 1695
bedanken. Die Übersetzungen der Lateinkundigen weichen zwar im Detail
geringfügig voneinander ab, es steht aber fest, daß der erste Ehemann
der Apollonia eines unnatürlichen Todes starb, höchstwahrscheinlich
durch Selbstmord. Jetzt kann ich mich auf die Suche nach dem
entsprechenden Begräbniseintrag machen, der dann wohl endgültig
Aufschluß über den Sachverhalt geben wird.
Falls ich fündig werde, würde ich eine kurze Mitteilung in die Liste
stellen.

Viele Grüße
Bruno (Bauernschmidt)