Hallo Herr Wagner,
vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag zur Wehrmachtszugehörigkeit.
(Ihr Listenbeitrag v. 4.08.)
Offenbar wurde, dass sich jede Generation vor neue Herausforderungen
und Probleme gestellt sieht.
Das, was die Geburtsjahrgänge 1870 ff. in den Jahren des Großen Krieges
1939- 1945 durchlitten ist für uns heute in keiner Weise nachvollziehbar.
Sie gestatten jedoch einen Hinweis und besser eine Frage zu dem von Ihnen
gen. Datum der Errichtung der SBZ am 1.07.1945.
Welcher Quelle entnahmen Sies dieses (leider falsche) Datum?
Man muss, wenn man Daten für die Einrichtung der SBZ nennt, darüber hinaus
zwischen den Territorien bzw. deutschen Ländern und Provinzen unterscheiden.
Offiziel begann die Existenz der SBZ erst mit der sog. Berliner Erklärung
der vier Kriegssigermächte v. 5.06.1945.
Diese verfügte Übernahme der Regierungsgewalt durch die alliierten Mächte
(genauer: durch die Militärverwaltungen und Militärkommandanturen der vier
Hauptsiegermächte) widersprach den Prinzipien der Haager Landkriegsordnung (Art 42- 56).
Alles, was in diesem Zusammenhang erfolgte und organisiert wurde (die Neuordnung
der Verwaltung und terr. Administration, die Einrichtung von 59 Haftlagern in den
Westzonen (Liste mir vorliegend) und 38 sojw. Konzentrationslagern ("Speziallager")
(auch diese Liste mir vorliegend) in der eigtl. SBZ und den besetzten Gebieten in
Ostdeutschland, die Enteignungen und Beschlagnahnungen, der Raub von Kustgütern
("Beutekunst" genant), Patenten, technischer Ausrüstung, Maschinen, Kraftfahrzeugen,
Schienenfahrzeugen, Betriebsausrüstungen usw.) widersprachen in eklatanter Art und Weise
den Bestimmungen dieser Haager Landkriegsordnung.
In der bundesdeutschen Geschichtsschreibung werden diese Gegebenheiten nicht thematisiert,
mehr noch, sie werden verharmlost, unterdrückt, marginalisiert.
Am 9.06. 1945 wurde mit dem sowj. Befehl Nr. 1 die Organisation der militärischen Verwaltung
zur Verwaltung der sowjetischen Okkupationszone in Deutschland verfügt (Etablierung der SMAD).
Am 11.07. verließen die US- Truppen Magdeburg und die bis zur Elbe- Linie besetzten
Gebiete. Im gleichen Zeitraum wurden die übrigen von den US- Amerikanern besetzten Gebiete in
Mitteldtd. geräumt.
Am 9.06.1945 hatte die von der US- Army für die herausgegebene und auch in Teilen Mitteldeutschlands vertriebene Zeitung „Hessische Post“ gemeldet, dass die „Russische Besatzungszone bestimmt“ sei, und signalisierte damit den bevorstehenden Rückzug der amerikanischen Truppen aus Thüringen. Diese waren aufgrund des ungleich verlaufenden Verlaufes der Kampffronten alliierten in den letzten Kriegswochen 1945 vom Westen her bis nach Mitteldeutschland vorgedrungen.
Bereits 1944 wurde von den Alliierten vereinbart, dass nach der deutschen Kapitulation Thüringen und ganz Mecklenburg zur sowjetischen Besatzungszone in Deutschland gehören würde.
Seit dem 16.04.1945 wurde Thüringen (Land Thüringen) und der preußische Regierungsbezirk Erfurt
von amerikanischen Militärregierungen in den Stadt- und Landkreisen beherrscht.
Das Hauptquartier des für die Besatzungsverwaltung in Thüringen zuständigen VIII. US-Corps hatte
seinen Sitz in Weimar.
Dort etablierte sich Mitte Juni 1945 eine US- Militärregierung für die neue „Provinz Thüringen“
(= Land Thüringen, Regirungsbezirk Erfurt und amerikanisch besetzte westsächsische Stadt- und Landkreise).
Am 30.06.1945 kam aus dem Hauptquartier des VIII. Corps in Weimar der Befehl, dass die in Weimar stationierten US- Truppenteile die Stadt am 3.07. zuverlassen hätten.
Das Hauptquartier und die Militärregierung für Thüringen zogen bereits am 2.07. ab.
Mit dem Abrücken dieser Kommandostellen endete die amerikanische Besetzung Thüringens.
Drei Monate hatte das Sternenbanner über Thüringen geweht.
Der Abzug der US- amerikanischen Streitkräfte erfolgte am 2. und 3.07.1945.
An diesen beiden Tagen wurden auf der Eisenbahnstrecke Eisenach –Bebra 65 (fünfundsechzig) Züge mit 3.073 Waggons mit Militärausrüstungen, in erster Linie jedoch mit Beutegütern gezählt.
Zwischen den abrückenden amerikanischen und vorrückenden sowjetischen Truppen sollte ein drei bis fünf Kilometer breiter Korridor bestehen.
Der Einmarsch der Roten Armee begann am 2.07. in Ostthüringen und zog sich bis zum 6.07.1945 hin.
Nach Thüringen wurde die 8. Gardearmee unter Gardegeneraloberst Tschuikow verlegt, die Stalingrad wiedererobert hatte und bei der Besetzung Berlins beteiligt war, dann aber in Sachsen stationiert wurde.
Das Hauptquartier der Armee wurde Nohra bei Weimar (und blieb es bis zum Abzug 1992).
Gera wurde als erste größere Stadt Thüringens am 2.07. von sowjetischen Truppen besetzt.
Am 3.07. erreichten Vorausabteilungen der Roten Armeee die Landeshauptstadt Weimar sowie Erfurt.
In Südthüringen war die Besetzung bis zum 5.07. vollzogen, Nordthüringen wurde bis zum 6.07. besetzt.
In den ersten Tagen fand noch ein reger Wechsel der Militärkommandanturen statt.
Die Lage konsolidierte sich, nachdem am 9.07.1945 die SMATh (Sowjetische Militäradministration in Thüringen (SMATh) mit Sitz in Weimar errichtet wurde.
Mit dem Abzug der Amerikaner war die kurzfristige „Provinz Thüringen“ obsolet geworden.
In das bisherige Land Thüringen war aber nunmehr der preußische Regierungsbezirk Erfurt integriert worden. Die von den Amerikanern installierte Provinzialregierung in Thüringen wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht nicht übernommen. Diese setzte am 16.07.1945 eine neue thüringische Landesverwaltung ein, die bis zur ersten Landtagswahl 1946 im Amt blieb.
Weshalb gehe ich jedoch so ausführlich darauf ein?
Für heute junge Genealogen liegt diese Zeit bereits vier Generationen zurück und die
Nachrichten, Berichte und Kommentierungen über die Abläufe, Ereignisse und Entwicklungen
im Jahr 1945 und in den Folgejahren werden nur noch aus einer quasi gefilterten Sicht
betrachtet.
Die SBZ war dem Grunde nach das durch die sowjetische Armee militärverwaltete besetzte
Gebiet Deutschlands. Diese Besatzungsherrschaft begann in Ostpreußen bereits am 21.01.1945
und bis zum Februar waren in Ostpreußen bereits zwei Konzentrationslager eingerichtet
(Insterburg und Gumbinnen).
Den sowjetischen Front- und Kampfgruppen folgten bei der weiteren Besetzung Deutschlands
49 (neunundvierzig) Divisionen des sowj. Geheimdienstes NKWD (die sog. "Inneren Truppen")
in einer Stärke von 500.000 Mann, die das besetzte Gebiet systematisch durchkämmten und
gezielt die in der sowj. Verhaftungs- und Fahndungsliste gelisteten Personen (diese Liste
umfasste etwa 1 Million Namen) gefangen setzten.
Darüber unterlagen jedoch in den besetzten Gebieten östlich der Oder bis Sommer 1945
auch annähernd 800.000 Zivilisten den gezielten oder auch willkürlichen Verhaftungen, die
fast ausnahmslos in die Deportation zur Zwangsarbeit in die UdSSR mündeten.
Allein im besetzten Ostpreußen wurden von den ca. 750.000 zuurück gebliebenen Zivilisten
etwa 300.000 in die Sowjetunion deportiert. 300.000 wurden bis Mitte 1946 ermordet, erschossen,
zu Tode vergewaltigt, sie verhungerten, erlagen Kälte, Hunger, Krankheiten.
Die von diesen 750.000 im April 1945 Zurückgebliebenen überlebten bis Somme 1946 140.000, die
dann in drei Wellen in die SBZ abgeschoben wurden.
Die in die Sowjetunion Deportierten sind größtenteils zugrunde gegangen. Je nach Transport und
Einsatzort ist eine Sterbequote zwischen 40% bis 90 % feststellbar.
Man muss hierüber heute so ausführlich berichten, weil es in der neuen BRD (ab 1990) eine
eindeutig feststellbare Tendenz zu einer Leugnung der Verbrechen der Kriegssiegermächte gibt.
Ebenso feststellbar ist eine offenbar planmäßig betriebene Marginalisierung der Auswirkugen
der alliierten Militärdiktaturen ab Mai 1945.
Von Politik, Medien und Hochschulen durchgesetzt wurde ein "berichtigtes" Geschichtsbild,
dass die Verbrechen der vier Kriegssieger leugnet, relativiert und verharmlost.
Und die Erlebnisgeneration ist weggefallen.
Die heute 80jährigen unterlagen selbst schon den Prinzipien einer alliierten Umerziehung und
so hat sich heute in der neuzeitlichen BRD eine Geschichtsauffassung und Geschichtsbetrachtung
durchgesetzt, die in krassem Gegensatz zu den tatsächlichen Abläufen, Geschehnissen und Entwicklungen
steht!
Freundliche Grüße, Thomas Engelhardt, Ilsede, Niedersachsen