Bezeichnungen "Einwohner" und "Nachbar" in Urkunden

Liebe Mitforscher,

heute mal eine allgemeinere Anfrage: in etlichen der Urkunden zu meinen Ahnen finden sich Formulierungen wie "Einwohner in xxx" oder "Einwohner und Nachbar in xxx". Hatte der Begriff Einwohner früher eine weitere Bedeutung als heute? Oder bedeutete es immer nur soviel wie "wohnte in xxx". Was soll dann aber noch der Zusatz "Nachbar"?

Tschüss
Stephan

Hallo Stephan,

das Problem bildete sich bei mir im Geiseltal bei Merseburg. Ich brachte in Erfahrung das ein Nachbar mit einen Hufenwirth gleich zu setzten sei (bar = bauer), ein Einwohner ein 'Immobilienbesitzer' vor Ort sei. Danach kann ein Handwerker auch ein Einwohner sein. Nur hat die Erkl�rung einige Haken, 1. die ganzen Kirchspiele bestehen nur aus Nachbarn und Einwohnern, selten wird mal jemand nur als Einwohner bezeichnet, was dann aber eher eine Nachl��igkeit zu sein scheint. 2. auch Handwerker werden mit (auch abgek�rzt) N&E bezeichnet, aber ein Handwerker kann wohl kaum auch ein Hufenwirt sein, auch wenn die Hufen in Mitteldeutschland vielleicht kleiner sind als in Ostpreu�en.

Ich wei�, keine befriedigende Auskunft - aber auf diesem Stand endete eine �hnliche Anfrage von mir in der Sachsen-Anhalt-Liste !

Gr��e Steffan

Stephan H�rtel schrieb:

Hallo Stephan und Steffan,

es ist schon richtig, die historische Berufsstand-Bezeichnung "Nachbar"
bedeutet Kleinbauer auf eigenem Grund und Boden.
"Einwohner" bedeutet, er wohnt zur Untermiete oder Pacht, also
ohne eigenen Grund und Boden.
Warum sollte nicht ein Bauer nebenbei ein Handwerk ausüben ?
Einige "Nachbarn" (Bauern) fertigten in den Wintermonaten Pantoffeln an,
es waren dann die Pantoffelmacher, die in den Wintermonaten
mit kompletter Fam. die Herstellung tätigten.
Und ein Einwohner kann jeden x-beliebigen Beruf ausgführt haben.

Es ist wirklich sehr schade, wie nachlässig mitunter die KB
geführt wurden.

Liebe Grüße Marion
aus Halle

-----Ursprüngliche Mitteilung-----
Verschickt: So., 3. Jan. 2010, 21:35
Thema: Re: [NSL] Bezeichnungen "Einwohner" und "Nachbar" in Urkunden

Hallo Stephan,

das Problem bildete sich bei mir im Geiseltal bei Merseburg. Ich brachte
in Erfahrung das ein Nachbar mit einen Hufenwirth gleich zu setzten sei
(bar = bauer), ein Einwohner ein 'Immobilienbesitzer' vor Ort sei.
Danach kann ein Handwerker auch ein Einwohner sein. Nur hat die
Erklärung einige Haken, 1. die ganzen Kirchspiele bestehen nur aus
Nachbarn und Einwohnern, selten wird mal jemand nur als Einwohner
bezeichnet, was dann aber eher eine Nachläßigkeit zu sein scheint. 2.
auch Handwerker werden mit (auch abgekürzt) N&E bezeichnet, aber ein
Handwerker kann wohl kaum auch ein Hufenwirt sein, auch wenn die Hufen
in Mitteldeutschland vielleicht kleiner sind als in Ostpreußen.

Ich weiß, keine befriedigende Auskunft - aber auf diesem Stand endete
eine ähnliche Anfrage von mir in der Sachsen-Anhalt-Liste !

Grüße Steffan

Stephan Härtel schrieb:

Liebe Mitforscher,

heute mal eine allgemeinere Anfrage: in etlichen der Urkunden zu

meinen Ahnen finden sich Formulierungen wie "Einwohner in xxx" oder "Einwohner und Nachbar in xxx". Hatte der Begriff Einwohner früher eine weitere Bedeutung als heute? Oder bedeutete es immer nur soviel wie "wohnte in xxx". Was soll dann aber noch der Zusatz "Nachbar"?

Hallo Marion

mariolla56@aol.com schrieb:

>es ist schon richtig, die historische Berufsstand-Bezeichnung "Nachbar"
>bedeutet Kleinbauer auf eigenem Grund und Boden.
>"Einwohner" bedeutet, er wohnt zur Untermiete oder Pacht, also
>ohne eigenen Grund und Boden.

Nun, eine Person die das Amt eines Richters oder Gerichtssch�ppen inne hat, weil dieses erblich ist und an den Besitz eines bestimmten Hofes gebunden ist, kann kein P�chter sein oder gar nur zu Untermiete wohnen. Und wird es auch nicht wenn die Familie den Hof �ber Jahrhunderte inne hat und immer so bezeichnet wird. Tats�chlich sind meine Vorfahren als Richter bzw. Gerichtssch�ppen und N&E bezeichnet, oder auch als Gastwirth und N&E, und dergleichen mehr Varianten. Auch Pfarrer wurden mit ein N&E tituliert - wie gesagt, eigentlich jeder. Ab Anfang 19.Jh. �ndert sich dann die Bezeichnung in 'N&E auf Gerichtssch�ppen', da es dann zwar dieses Amt nicht mehr gibt, aber der Bauer immer noch auf diesen Hof wohnt. Also einen Einwohner mit Untermieter oder P�chter gleichzusetzen mu� falsch sein.

>Warum sollte nicht ein Bauer nebenbei ein Handwerk aus�ben ?

So wie ich es von Gebieten �stlich der Oder kenne, hat ein Hufenwirth zu dieser Zeit (also 16-18.Jh.) soviel Arbeit mit seinen Hof, dass keine Zeit f�r Nebenerwerbst�tigkeiten wie Gewerkspflichtige Handwerke haben d�rfte. Das geht nur bei Kleinbauern. Zumindest die Bezeichnung 'Nachbar' wird aber definitiv mit einen Gro�- bzw. Hufenwirt gleichgesetzt. Tats�chlich wird die Bezeichnung Einwohner mit Kleinbauer und G�rtner gleichgesetzt. Problematisch ist aber dann ebend, dass beide Bezeichnungen meist gemeinsam auftauchen. In meinen F�llen tauchte jedenfalls niemals die Nennung Nachbar allein auf.

>Einige "Nachbarn" (Bauern) fertigten in den Wintermonaten Pantoffeln an,
>es waren dann die Pantoffelmacher, die in den Wintermonaten
>mit kompletter Fam. die Herstellung t�tigten.

Das d�rfte im 19.Jh. wohl oft der Fall gewesen sein, bis Ende 18.Jh. war der Job (Pantoffelmacher) aber Zunftpflichtig, ein Bauer durfte dies nicht aus�ben, jedenfalls was mehr als was den Hausbedarf betraf. Ohnehin war man auch im Winter mehr als genug in den paar Tagstunden besch�ftigt. Bis Anfang 19.Jh. hie� das Einbrechen der Nacht Schlafenszeit, da Lichtmittel wie Kerzen oder Tran viel zu teuer waren, als dass sich Handwerk gelohnt h�tte. Und selbst im 19.Jh. werden nur Klein(st)bauern daf�r Zeit gehabt haben.

>Und ein Einwohner kann jeden x-beliebigen Beruf ausgf�hrt haben.

Was er bis Anfang 19.Jh. aber nicht durfte ! Zunftpflicht, Feudale Pflichten und dergleichen !

>Es ist wirklich sehr schade, wie nachl�ssig mitunter die KB
>gef�hrt wurden.

Ja, aber besser ein nachl�ssig gef�hrtes KB, als gar keines !

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