Besitz- und Rechtsverhältnisse der Bauern in Niederschlesien vor 1800

Guten Tag,

gerade nutze ich einige freie Tage, um Lücken bei meinen schlesischen Vorfahren aufzuarbeiten (vor allem Kreis Münsterberg bzw. Frankenstein, ein bisschen Richtung Grafschaft Glatz).

In diesem Zusammenhang stellt sich mit gerade die Frage, wie die Besitz- und Rechtsverhältnisse der Bauern in Niederschlesien vor 1800 waren. Gibt es dazu empfehlenswerte Literatur oder Darstellungen - oder ist das Insider-Wissen, das man sich nach und nach zu erwerben hat?

Mir fällt auf, dass nicht ganz selten ein und die dieselbe Person zeitweise als Gärtner, zeitweise als Bauer erscheint - und wenn dies mit einem Ortswechsel verbunden ist, dann offenbar auch mit einem anderen Hof.

Etwa Anton Wagner: 1791-1797 Gärtner oder Freigärtner in Hertwigswalde
1801-1807 Bauer in Oberpomsdorf
1823 wieder Freigärtner in Hertwigswalde

Meint Gärtner und Freigärtner dasselbe? Oder ist Gärtner = auf fredem Besitz, also Pächter, Freigärtner = Eigentümer?

Hat Herr Wagner dann zeitweise in Oberpomsdorf ein Bauerngut gepachtet? Oder gekauft und sich später auf eine Gärtnerstelle quasi als Auszügler zurückgezogen?

Oder Albert Plaschke: 1764 Freihäusler in Hertwigswalde
1766 Herrschaftlich Kreydeburgischer Schaffner in H.
1768-84 Schaffner in Altaltmannsdorf auf dem Antheiler Vorwerk
1789 Oberhof-Schafner in Hertwigswalde

Also zunächst ein Freihäusler auf eigenem Besitz - dann Verwalter auf verschiedenen großen Gütern? In welchem Rechtsverhältnis: als Pächter mit allen Rechten und Pflichten? Oder ein Abhängiger von der Herrschaft dort einfach einsetzt und nur der Herrschaft verpflichtet?

Die Rechts- und Besitzverhältnisse scheinen mir auch wichtig, um Ortswechsel zu verstehen. Wenn jemand von außerhalb in Hertwigswalde Bauer wird - hat der einen Hof gekauft? Ist er als Leibeigener / sonstwie Abhängiger von der Herrschaft "versetzt" worden? Hat er den Hof der Schwiegereltern übernommen - ist die Übernahme also ein Hinweis, dass die Ehefrau aus dem Ort stammt?

Welche Pachtfristen waren üblich? Hier im Rheinland galten oft 6 oder 12 Jahre. Gibt es ähnliche Regelungen in Schlesien?

Viele Fragen - über einzelne Antworten freue ich mich.

Viele Grüße

TK

Hallo Herr Kemper,

gerade habe ich in Google eingegeben: "Freig�rtner" und bin auf einen Artikel bei GenWiki gekommen. �brigens habe ich selbst mehrere Freig�rtner unter den Vorfahren, aber die Orte und die Namen passen nicht zusammen.

Viele Erfolg

Heinz-G�nter Zick

-----Urspr�ngliche Nachricht-----

Hallo Tobias,

das Thema beschäftigt mich auch schon eine ganze Weile! Bei mir sind es die verschiedenen Bezeichnungen bürgerlicher Erbgutsbesitzer/Gutsbesitzer, dann Freibauergutsbesitzer usw.

Nach meiner Erkenntnis bezieht sich das "Frei" auf den Besitz einer Gärtnerstelle oder eines Bauernguts ohne die Verpflichtung zu Fuhr- und Spanndiensten o.ä. an den Grundherren. Der Besitz bestand als Eigentum auf das Zinsen bzw. Steuern an den Grundherren entrichtet werden mussten. Dabei bezog sich das "Frei" auf die Stelle, das Gut, und nicht auf die besitzende Person. Schau mal auf die folgende Seite:

http://www.namslau-schlesien.de/Standesbezeichnung_laendlich.htm

Aus meiner Familienchronik folgender Text:

Altes Bauerngeschlecht in Bögendorf
300 Jahre im Besitz der Familie Heide + Der Hof im Wandel der Zeiten

Bögendorf ist eines unserer stattlichsten Bauerndörfer. Von der Ebene reicht es hinauf bis in das Vorgebirge. Unterbrochen von Gärten, Wiesen und Feldern reiht sich beiderseits der Straße und einem hurtig von den Bergen kommenden Bächlein Hof an Hof. Auf der „kleinen Seite“, zur Rechten des Bögenbaches, liegt der Hof des Bauern Wilhelm Heide, der älteste Familienbesitz des Dorfes. Nachweislich 300 Jahre schon bewirtschaften die Heides den Hof, der sich immer vom Vater auf den Sohn vererbt hat. Wohn- und Wirtschaftsgebäude, die im Laufe der Jahrhunderte manchem Wandel unterworfen waren, bilden im geschlossenen Viereck einen stattlichen Hof, an den sich bis hinüber zur Merckelshöhe Felder und Wiesen anschließen. 58 Hektar Land, davon 10,5 Hektar Wald an der Merkkelshöhe, gehören zu dem Hof, der eine umfangreiche Geschichte stolzen Bauernadels umschließt, der durch 300 Jahre in guten wie in bösen Tagen immer seinen Platz behauptet und sich immer der Scholle verpflichtet gefühlt hat.
Bald nach dem Dreißigjährigen Kriege (1618 bis 1648), der auch unser Schlesien furchtbar verwüstet hatte, war Christoph Heide Besitzer des Hofes. Wann er den Hof übernommen hat, konnte nicht genau festgestellt werden, jedenfalls war er, als er im Jahre 1660 eine junge Frau auf den Hof führte, schon Besitzer. Ihm folgte sein 1665 geborener Sohn gleichen Namens und diesem der 1690 geborene Christian Heide. Als dessen Sohn Johann Gottlieb Heide im Jahre 1763 im Jahr des Endes des Siebenjährigen Krieges, den Freibauernhof übernahm, wurden als Kaufgeld 1690 Taler eingesetzt. 41 Jahre später, bei der Übernahme des Hofes durch Johann Gottliebs Sohn, der ebenfalls den Namen des Vaters erhalten hatte, belief sich das Kaufgeld schon auf 4800 Taler. Auf Johann Gottlieb Heide folgten im Jahre 1842 Johann Carl Gottfried Heide, 1883 Karl Heide und diesem im Jahre 1913 der jetzige Besitzer Wilhelm Heide.
Die Frauen holten sich die Heidebauern stets aus der nächsten Nachbarschaft, vier allein aus Bögendorf. Auch die jetzige Bäuerin Martha Heide (geb. Seidel) ist Bögendorferin.
Während des Siebenjährigen Krieges, in den Tagen vor der Schlacht bei Burkersdorf und Leutmannsdorf, als das Hauptquartier sich in Ober- Bögendorf befand, soll Friedrich der Große auch auf dem Heideschen Freibauernhof geweilt haben.
Als die für Preußens großen König erfolgreiche Schlacht bei Burkersdorf und Leutmannsdorf am 21. Juli 1762 entschieden wurde, traf die westliche Hauswand eine Kanonenkugel, die später an der Einschlagstelle eingemauert wurde und heute noch vorhanden ist. Das jetzige Wohnhaus des Hofes stammt aus dem Jahre 1848. Vorher hatte es lang gestreckt am Wege der kleinen Seite, links vom Hofeingang, heute ein Wirtschaftsgebäude, gestanden.
300 Jahre alte erbeingessene Familie. 300 Jahre immer dasselbe Land bestellt und den von den Vätern ererbten Besitz gehütet wie einen Edelstein. Darauf kann die Familie Wilhelm Heide mit Recht stolz sein.

Quelle: Artikel in einer Schweidnitzer Tageszeitung 1930/40 verfasst von einem Bögendorfer Lehrer

Ciao
Falk Hoffmann