Bericht über DNA-Genealogie (2)

Liebe Listenmitglieder,

wie angek�ndigt, hier ein zweiter Teil. - Mich haben verschiedene Fragen erreicht, teils �ber die Listen, teils privat. Ich versuche, die meisten Fragen in meinem Bericht zu beantworten; auf die �brigen Fragen gehe ich - sofern von allgemeinem Interesse - am Ende ein. Sollte ich etwas �bersehen, bitte ich um Erinnerung.

Ich habe pers�nliche ERfahrungen gemacht mit National Geographic (Geno 2.0) und FTDNA; au�erdem kenne ich verschiedene Auswertungstools.

Hier berichte ich erst �ber National Geographic und dann �ber FTDNA. Wer sich vor allem f�r die GEnealogie interessiert, kann den Teil �ber Nat. Geographic �berspringen und direkt zu FTDNA gehen.

NATIONAL GEOGRAPHIC (Geno 2.0)

Das Projekt "Genographic" bzw. "Geno 2.0" von National Geographic (http://www.nationalgeographic.com) verfolgt ein wissenschaftliches, kein genealogisches Ziel: Auf der Grundlage einer m�glichst gro�en Zahl von genetischen Proben soll die Menschheitsgeschichte der letzten 100.000 Jahre untersucht werden, v.a. die Verbreitung des modernen Menschen auf der Erde und die Entstehung der verschiedenen genetischen Varianten.

In den letzten Monaten hat National Geographic u.a. die Ergebnisse zu Untersuchungen der DNA von jungsteinzeitlichen Skeletten aus Sachsen-Anhalt untersucht (ver�ffentlicht im November 2013 in Science), die Aufschluss geben �ber Wanderungsbewegungen in den letzten paar tausend Jahren, und Untersuchungen zur DNA der Neandertaler. Daher wei� man jetzt, dass die jungsteinzeitlichen J�ger helle Haut, aber dunkle Augen hatten, w�hrend die ersten Ackerbauern wohl blaue Augen hatten. Auch wei� man jetzt, dass mit Ausnahme der Afrikaner die meisten Menschen auch Gene der Neandertaler in sich tragen (vgl. dazu die Forschungen des Max-Planck-Instituts in Leipzig).

Aktuell haben knapp 700.000 Menschen eine Probe f�r das Projekt "Geno 2.0" eingereicht. Ich geh�re dazu und habe im vorigen Herbst ein Testkit bestellt. Die Kosten f�r den Test liegen normalerweise bei 199 $; ich habe ein Sonderangebot f�r 140 $ (etwas �ber 100 �) genutzt (das immer wieder mal angeboten wird, zuletzt �ber Weihnachten).

Innerhalb weniger Tage habe ich das Testkit als Gro�britannien zugeschickt bekommen; darin sterile Wattest�bchen und Transportr�hrchen sowie eine bunte Information �ber das Geno 2.0-Projekt - ich w�rde das Heft charakterisieren als Werbungs- und Informationsbrosch�re auf h�herem Niveau, aber keine wissenschaftliche Information (aber ganz nett). Die Probe habe ich per Post in die USA geschickt und musste dann etwa acht Wochen auf meine Ergebnisse warten (wie vorher auch angek�ndigt). Etwas irritierend war, dass ich etwa sechs Wochen auf die Eingangsbest�tigung warten musste (obwohl der Postweg wenige TAge dauert); nach der Eingangsbest�tigung ging dann aber alles recht flott.

Als Ergebnis habe ich - nur online - erhalten:

- Die Bestimmung meines Y-Typs (Haplogruppe) auf der Grundlage der Bestimmung von rund 12.000 Markerns (SNP genannt) mit einer (englischen) Erl�uterung der Geschichte dieses Typs (nicht so wahnsinnig detailliert).

- Die Bestimmung meines Mitochondrien-DNA-Typs auf der Grundlage der Bestimmung von rund 50 MArkern mit einer (englischen) Erl�uterung der Geschichte dieses Typs (nicht so wahnsinnig detailliert).

- Die Bestimmung meines Anteils an Neanderthaler-Erbgut (2,5 %) und meines Anteils an Denisovian-Erbgut (Denisovian ist eine andere, bislang kaum bekannte Fr�hmenschen-Art).

- Eine Charakterisierung, welchen V�lkern mein Erbgut am meisten entspricht (Nordwesteuropa, keine �berraschung; aber auch ein signifikanter Anteil nah�stlich).

- Schlie�lich zum Download: 3 CSV-Dateien (= mit Excel lesbar) mit den genauen Analyseergebnissen: etwa 12.000 Marker (SNP) der der Y-DNA; 52 Marker der mtDNA, etwa 13.000 Marker (SNP) der autosomalen DNA insgesamt. Das sieht dann so aus:

rs996488, 8, T,G
Dabei bezeichnet 8 das Chromosom, rs996488 die genaue Stelle auf dem Chromosom, T,G meinen individuelle genetische Ausstattung

Was die Datensicherheit angeht: Bei der BEstellung wird die Nummer des Testkits verbunden mit der bei der Bestellung benutzten E-Mail-Adresse. Mit der Nummer des Testkits und einem selbst gew�hlten Passwort kann man sich bei Geno 2.0 einloggen, um sp�ter die Ergebnisse zu sehen (�ber deren Eintreffen man per E-Mail informiert wird).

Dabei hat National Geographic nat�rlich keinerlei Kontrolle, wer mit dem unter meiner Adresse bestellten Testkit getestet wird bzw. wessen Genmaterial eingeschickt wird: Meins, das meines Nachbarn oder meines Opas. Man wird darum gebeten, Auskunft zu geben �ber die geographische Herkunft dessen, von dem die Probe stammt, sowie �ber die Herkunft der direkten v�terlichen und m�tterlichen LInien (weil das f�r die wissenschaftliche Auswertung relevant ist). Man MUSS diese Angaben nicht machen. Dasselbe gilt f�r den Namen. Selbstredend kann NAtional Geographic nicht �berpr�fen, inwieweit die Angabe des Namens korrekt ist. Man kann, wenn man will, unter seinem Namen (bzw. seiner Mail-Adresse) also eine Probe eines anderen einreichen, wenn man Sorge hat, man sei identifizierbar - oder seine Probe unter einer sonst nicht genutzten Mail-Adresse. Da insofern die Zuordnung der Probe zu einer konkreten Person auf Behauptung beruht, halten sich hier die Missbrauchsm�glichkeiten in Grenzen.

F�r die Wissenschaftliche Auswertung der Probe muss man seine Zustimmung erkl�ren (was ich gemacht habe).

FAZIT: National Geographic ist m.E. vor allem an einer breiten Materialbasis f�r die wissenschaftliche Auswertung interessiert. Die bunten Informationen, die der Getestete erh�lt, sind nicht so wahnsinnig detailliert, zumindest nicht, wenn man sich genauer f�r die Vor- und Fr�hgeschichte interessiert. Wer sich wiederum nicht f�r die Jungsteinzeit und die Neandertaler interessiert, wird vermutlich eher entt�uscht sein. Ich war es nicht, da ich mich vorher informiert hatte; wer Zugang hat zu wissenschaftlicher oder seri�ser popul�rwissenschaftlicher Literatur und sich ins Thema einliest, der kann mit den Ergebnissen (Haplogruppen etc.) schon etwas anfangen, vor allem mit den Rohdaten.

MEIN TIPP: Geno 2.0 nur f�r diejenigen, die sich f�r die Vor- und Fr�hgeschichte interessieren und / oder auch die Forschung unterst�tzen wollen. F�r alle anderen ist es im Verh�ltnis zu teuer. Denen sei FTDNA empfohlen.

FTDNA

Nach dem Test bei National Geographic habe ich mein Test-Kit zu FTDNA �bertragen. Das geht mit wenigen Mausklicks - weil National Geographic f�r seine Analysen die Labore von FTDNA nutzt. Binnen Sekunden konnte ich meine von National Geographich erhobenen Daten in meinem neu angelegten FTDNA-Account aufrufen, und zwar mit allen Details und allen 12.000 getesteten Markern.

FTDNA (https://www.familytreedna.com/) ist meines Wissens so etwas wie der Marktf�hrer. Nach eigener Aussage hat FTDNA derzeit 672.703 Analysedaten vorliegen ("the largest ancestry DNA database in the world").

Der Ablauf ist grunds�tzlich �hnlich wie bei National Geographic: Man bestellt die gew�nschte Analyse, erh�lt das Testkit und schickt es per Post zu FTDNA zur�ck. In meinem Falle ging es schneller, da meine Probe schon vorlag; der Postweg und die zeitaufwendige Isolierung meiner DNA entfiel, so dass meine Probe direkt wieder in die Warteschlange vor dem LAbor eingereiht wurde.

Bei FTDNA kann man unterschiedliche Analysen bestellen:

Y-DNA-Analyse in unterschiedlicher GEnauigkeit: 169 - 359 US-Dollar

mtDNA teilweise 59 $, komplett 199 $

"Family Finder" = Analyse der "normalen" DNA f�r 99 $ [= ca. 75 �]

Au�erdem gibt es mehrere, dann g�nstigere Kombi-Angebote, auch saisonal besondere Angebote.

Was man analysieren l�sst, h�ngt vom Ziel, Interesse und Geld ab. Mein Rat f�r diejenigen, die sich prim�r genealogisch interessieren, zun�chst den "Family-Finder"-Test f�r 99 $ (also rund 75-80 �) zu machen. Nur M�nner k�nnten �berlegen, ggf. auch einen Y-DNA-Test zu bestellen, wenn sie entweder ihre Haplogruppe wissen wollen oder aber namenbezogene Interessen haben (Geh�ren alle Knipschild zu einer Familie?).

Meine von National Geographic vorliegenden Ergebnisse hat FTDNA ber�cksichtigt, so dass ich gewisserma�en "Upgrades" bestellen konnte.

Ich habe sowohl den "Family Finder"-Test gemacht als auch genauere Analysen der Y- und der mt-DNA. In meinem Account wurde f�r jede Einzeluntersuchung ein Datum prognostiziert; in den meisten F�llen lag das Ergebnis etwa 10 Tage VOR dem angegebenen DAtum vor.

Die Ergebnisse sind nur online im individuellen Account einzusehen; es bestehen aber diverse Download-M�glichkeiten; insbesondere ist es f�r die individuelle Weiterverarbeitung der Daten m�glich, auch hier alle Analyseergebnisse in CSV-Dateien herunterzuladen. Das ist sinnvoll, wenn man weitere Analyseprogramme (online oder offline) nutzen woll.

Zum Umfang der Ergebnisse:

Beim "Family-Finder"-Test werden rund 70.000 einzelne Positionen des Genoms der Chromosomen 1 bis 22 getestet, au�erdem knapp 18.000 Positionen des Y-Chromosoms (und das f�r 99 Dollar!); f�r jede einzelne Position habe ich Chromosom, genaue Stelle und den individuellen Wert vorliegen.

Auf dem Y-Chromosom habe ich 111 Marker bestimmt bekommen (sogenannte STR), anhand derer die "Gro�gruppe" in diverse Untergruppen unterteilt wird. Es ist gerade ein ganz hei�es Thema, den Stammbaum des menschlichen Y-Chromosoms in allen seinen Ver�stelungen zu untersuchen; m.E. spiegeln sich in bestimmten Verbreitungsmustern klar erkennbare historische Entwicklungen wieder (dazu sp�ter).

In der mt-DNA habe ich zwei wesentliche BEreiche (die HVR1 und HVR2) komplett analysiert bekommen; dazu habe ich eine genaue Aufstellung (online), an welchen Stellen mein Genom vom Cambridge-Referenz-Genom abweicht.

Dies zu den Ergebnissen. Ich habe noch nichts gesagt zur Auswertung dieser Datenflut; dazu werde ich morgen oder �bermorgen weiter berichten.

Zur Richtigkeit der Ergebnisse: Verschiedene Nutzer haben unabh�ngige Tests sowohl bei FTDNA als auch einem anderen Anbieter durchf�hren lassen (meist: 23andme). Die Ergebnisse stimmen, soweit ich in Erfahrung gebracht habe, �berein, so dass man von einer sehr guten Datenqualit�t ausgehen darf.

Zur Datensicherheit gilt dasselbe wie bei National Geographic: FTDNA kann nicht �berpr�fen, ob die zu einer Probe angegeben Namen zutreffen; jeder w�re frei, unter seinem Namen / seiner Mail-Adresse auch Proben anderer einzureichen. Verschiedene Nutzer haben in ihrem Account mehrere Testkits (von Ehepartnern, Eltern, Geschwister; teils auch von mittlerweile Verstorbenen).

Medizinische Daten: FTDNA wertet die Proben nciht medizinisch aus und hat nach eigener Aussage keine DNA-Positionen in die Untersuchung einbezogen, die nach jetzigem Kenntnisstand heikel sind. Diese Aussage bezieht sich selbstverst�ndlich nur auf den gegenw�rtigen Wissensstand. FTDNA versichert, die ihnen anvertrauten Daten nicht weiterzugeben - und da das Unternehmen nat�rlich auf das Vertrauen der Nutzer angewiesen ist, gehe ich auch davon aus, dass es sich daran halten wird. Bei den verschiedenen Einstellungsm�glichkeiten des eigenen Accounts wird man immer darauf hingewiesen, wenn man einen Teil der Daten freigibt. Beispielsweise wurde ich gefragt, ob ich einverstanden sei, dass meine mt-DNA im Rahmen eines universit�ren Forschungsprojektes in anonymisierter Form ausgewertet wird. Hier ist man frei, sich daf�r oder dagegen zu entscheiden.

Die Informationspolitik von FTDNA bewertet ich als gelungen.

Schon jetzt aber mein FAZIT: Die Untersuchungen bei FTDNA liefern eine F�lle von Ergebnissen (auch genealogisch relevante), sind unglaublich umfangreich (Family Finder, wie berichtet: 70.000 + 18.000 einzelne POsitionen f�r 99 Dollar) und auf jeden Fall empfehlenswert: Sowohl f�r genealogisch Interessierte, aber auch f�r alle, die sich f�r den Menschen, die Biologie oder aber die eigene genetische Ausstattung oder Zusammensetzung interessieren.

F�r heute sei dies genug.

Mit freundlichen Gr��en

Tobias A. Kemper