Begriffserklärung "Beere" in Urbaren im 16. Jh. in Schlesien

Hallo Listenleser,

der Begriffsinhalt dürfte nunmehr abgeklärt sein, auch dank des Hinweises
von Herrn Krause;

der Begriff lautete:
„Beer, Beern“
Dieser Begriff kommt in Urbaren im 16. Jh. in Schlesien vor, stets in einer
feststehenden Formulierung und immer im Zusammenhang mit Abgabenlasten und
Leistungen der Unterthanen im Kriegsfalle an den Grundherren bzw.
Landes-herren wie folgt:

"diese vorgeschriebenen personnen sein der herschafft mitt Raisen, steurn,
„Beernn“ vnd Kriegszügen wie annder obgeschrieben der herschafft vnnderthun
zethonn schuldig vnnd pflichtig!"

Erläuterung nun wie folgt:

1) mit „Bede“:
„Eine auf dem Grundbesitz lastende Abgabe, die dem
Landesherrn zu leisten ist“

2) infolge Hinweis durch Herrn Krause:

das Mittelhochdeutsche Wörterbuch sagt und belegt dazu dies hier:

*bërn* /abgabe, steuer:

/"die vor geschriben gab oder bern sol geruft werden in steten" (/Mähren/).
"das sie aller koniglichen bern und steur unangefodert bleiben sullen"
(/Böhmen/)

Man vergleiche dazu auch die übrigen Erklärungen zum Wortfeld im besagten
Mittelhochdeutschen Wörterbuch:

<unitrier.de
er/WBB/bmz/wbgui>

Demnach könnte die "ber" vielleicht ein Art Naturalabgabe gewesen sein;
letztere Erklärung dürfte keinesfalls zutreffen:

3) lt. Sudetendeutsches Flurnamen-Buch Heft nr 4, Die Flurnamen des
Gerichtbezirkes Eger; Reichenberg 1941:

"Bete":
"eine Steuer, die ursprünglich nur bei besonderen Anlässen angefordert
wurde, in späterer Zeit jedoch eine ständig zu leistende Abgabe darstellte"

4) also ein Begriff, der sowohl in Mähren / Schlesien / Böhmen mit analogem
Inhalt verwendet worden ist;

5) der Begriff "Beer - Beern" hat daher nichts mit Beerenfrüchten zu tun,
ist keine Naturalabgabe;

Mit freundlichen Grüßen
Rainer (Vogel)
Vogel_Rainer@gmx.de

Rainer Vogel schrieb:

2) infolge Hinweis durch Herrn Krause:

das Mittelhochdeutsche Wörterbuch sagt und belegt dazu dies hier:

*bërn* /abgabe, steuer:

/"die vor geschriben gab oder bern sol geruft werden in steten" (/Mähren/).
"das sie aller koniglichen bern und steur unangefodert bleiben sullen" (/Böhmen/)

Guten Abend, Herr Vogel,

Aus einem an Kaiser Maximilian II. gerichteten Brief vom 25. Oktober 1571 ( www.psp.cz/eknih/snemy/v030/1571-72/t033100.htm ):

    "Und soviel anfangs den Egerischen Kreis und Stadt angehet, befinden
    wir, dass die vom Adel und Stadt Eger stattlichen privilegiert und
    anno 1315 von. Kaiser Ludwig dem Baiern damals Kunig Johannsen mit
    Dienst und Underthänigkeit, doch mit Vorbehalt der jeder lösung,
    versetzt worden, und sein von jetzo gedachtem Kunig Johannen 1322
    privilegiert, zu ewigen Zeiten >>> mit keinem Bern, Steuern, Hülfen
    und Anlagen beschwert oder bedrängt zu werden <<<, neben andern
    ansehenlichen Begnadungen, auch dass sie zu Recht nindert anderstwo
    als vor einem Kunig zu Beheimb oder desselben Burggrafen und
    Haubtmann zu Recht stehen sollen, befreiet, wie dann Caroli quarti
    1355, Wenzeslai 1399, Sigismundi 1417, Kunig Wladislai 1482,
    Ludovici 1522, Ferdinandi 1527, E. Mt. anno 66. zu Augspurg datiert
    Begnadungen und Confirmationes mit sich bringen, füehrn, auch mit
    ein sondern Revers. von weilend hochlöblichister Gedächtnuss Kaisers
    Ferdinandi von wegen 1200 Schock, dasssolchs aus Guetwilligkeit und
    keiner Gerechtigkeit geschehen;
    [...]
    Allergenädigister Kaiser und Herr. In jetziger gehaltnen fleissigen
    und stattlichen Berathschlagung befinden wir, wie obgemelt, dass der
    Egerisch Kreis sambt der Stadt stattlich privilegiert, bei welchen
    Privilegien und wohl ausgebrachten Freiheiten meniglich, da sie
    statt haben, soll geschützt und gehandhabt werden; aber in dem Fall,
    darinnen wir sein, als nemblich zu Widerstand des christlichen
    Bluets Erbfeinds, releviren die von Eger ihre Privilegien gar nit
    aus Ursachen, dass in dergleichen Fällen nach geistlichen und
    weltlichen Rechten aller Behelf auf ein Seiten gesetzt wird, dann da
    die Privilegien statt haben sollten, sind nit allein die von Eger,
    sonder die Kron Beheimb generaliter und die eingeleibte Länder auch
    in specie und >>> particulariter aller Bern, Steuern und Anlagen
    <<<, wie sie Namben haben mugen, zu ewigen Zeiten sowohl, und mehr
    als sie, befreiet; dargegen dieweil solches zu Rettung der
    Christenheit geschieht aus lauter Guetwilligkeit und christenlichen
    Eifer, werden die Revers darauf, dass solchen Privilegien nichts
    derogirt sei, gefertigt."

Aus einem Brief vom Juni 1571 aus dem Stadtarchiv in Eger ( www.psp.cz/eknih/snemy/v030/1571-72/t032700.htm ):

    "Als ihr uns nach der Länge berichtet, welchergestalt vor dritthalb
    Hundert Jahren vom weiland römischen erwählten Kaiser Ludwigen dem
    Baier ihr dem damals Könige zue Behem, Johann umb ein Summa Geldes
    vorsetzet und von dem heiligen römischen Reiche mit Subjection,
    Dienstbar und Gerechtigkeit, darmit ihr dem Reich underworfen und
    zuegethan gewesen, an den König vorwiesen worden, lauts mit
    uberschickten Copien eines an euch ergangenen kaiserlichen Mandats,
    mit B vormerket, dargegen hochsterwähnter König dessen hinwider sich
    verpflichtet, dass er euch nit alleine bei allen euren Rechten,
    Privilegien, Gerechtigkeiten gerugligen bleiben lassen, sondern auch
     >>> einigen Bern oder Landsteuer <<< von euch nicht begehren noch
    nehmen wolle [...]"

Hieraus dürfte klar werden: Bern = Landsteuer.

Das Zitat von Herrn Krause stammt aus "Urkundliche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbarländer im Zeitalter Georg's von Podiebrad (1450-1471)", gesammelt und herausgegeben von F.Palacky, Wien 1860 (Fontes rerum Austriacarum Abt. 2, Bd. 20) und hat einen Weiterverweis auf die Nachträge zum Mittelhochdeutschen Wörterbuch ( http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/lexer/nachtraege/wbgui?lemid=NB00849 ):

    "bërn, berne f. m. eine art steuer s. zu KPN. 2,39. BRÜNN. r.
    384,170. lôჳung und kunigliche berne geben UG. 363 a. 144. wann der
    künig von Pehem einen peren uberal in dem land zu Pehem nem URB. v.
    j. 1367 im Wiener staatsarchive. – >>> ein slav. wort: böhm. berně
    steuer, berna steueramt. <<<"

Also nicht mittelhochdeutsch sondern tschechisch!

Grüße vom Niederrhein,
Günther Böhm