Der Kieler Umschlag war früher ein Markt, in dessen zeitlichem und
örtlichem Rahmen Gelder umgeschlagen wurden, also Umsätze gemacht wurden.
Der Ort war die Stadt Kiel, der Termin war der 6. Januar und die darauf
folgenden acht Tage, die "octavae trium regum" genannt wurden, also die
acht Tage, die mit dem Dreikönigstag begannen. Nachmittags um vier Uhr
begann er mit dem Einläuten vom Turm der St. Nikolai-Kirche und endete
am 14. Januar, gleichsam nachmittags um vier Uhr. Danach schloss sich
ein bunter Jahrmarkt an, der bis zum 2. Februar andauerte.
Dieser traditionelle Geld- und Warenmarkt wurde schon 1482 urkundlich
erwähnt, galt zu der Zeit aber schon als etabliert, und man kann
annehmen, daß er wohl schon um die hundert Jahre älter war. Kiel war
durch seine zentrale Lage inmitten der vielen adeligen Gutswirtschaften
bestens geeignet, dieses Ereignis auszurichten. Es waren anfangs
vornehmlich die adeligen Herren, Besitzer der Güter in Angeln,
Ostholstein und um Kiel herum, die hier ihre Geldgeschäfte tätigten. Dazu
kamen reiche Kaufleute aus den großen Handelszentren und Repräsentanten
von Herrschern, Königen und des Kaisers, wenn der auch mal Anleihen
tätigen musste. Ankauf, Verkauf, Verpfändung, Verpachtung und Schenkung
von Höfen und Land wurden in Kiel verhandelt und abgerechnet. Holz und
Getreide wurden wie auf einer Börse gehandelt. Bei größeren Geschäften,
die Ratenzahlungen vorsahen, waren die jährlichen Raten jeweils wieder
zum Kieler Umschlag fällig. Man ersparte es sich, im Lande umher zu
reisen und seine Geschäfte abzuschliessen – in Kiel kamen alle Käufer und
Verkäufer, Schuldner und Gläubiger, auf engem Raum für eine gute Woche
zusammen. Auch die Amtmänner der Herzöge von Schleswig und Holstein
legten zu diesem Termin ihre Abrechnungen vor und zahlten die Überschüsse
gleich an ihre Landesherren aus.
Zahltag war übrigens die Dauer des Umschlages – die acht Tage zählten als
ein einziger Termin. Es war unerheblich, ob jemand gleich am 6. oder erst
am 14. Januar seine Schuld beglich. Unangenehm wurde es jedoch für
säumige Schuldner. Ein altes Holsteiner Recht sah nämlich eine
Erzwingungshaft vor, welche in den meisten Verträgen jener früheren
Jahrhunderte ein Bestandteil der Abmachungen war. Diese Haft wurde
Einlager genannt und auch strikt angewandt. Nicht einmal Herzöge oder
Könige konnten sich dieser Behandlung entziehen. Wer seine Schulden nicht
pünktlich bezahlte, dem gab man kulant noch drei Tage Zahlungsaufschub,
danach aber wurde nicht lange gefackelt – der Schuldner wurde abgeholt
und in einer Herberge festgesetzt, die er dann nur noch bei einem Brand
oder dem Ausbrechen einer Seuche verlassen durfte, und zwar so lange, bis
er oder jemand anders seine Schulden beglichen hatte. Im Jahr 1523 traf
dieses Geschick den Rentmeister des Königs Christian II von Dänemark,
Magister Andreas Glob, Propst von Odense. Er vertrat den König beim
Abschluß der Geschäfte und ging auch für ihn in das Einlager. Vollkommen
rechtens war es auch, ein Schandgemälde fertigen zu lassen und am Pranger
auszustellen, das einen säumigen Schuldner auf das Derbste verhöhnte und
verspottete, egal welchen Standes jener war. Die strikte Handhabung
dieses alten Rechtsgebrauchs verschaffte dem Umschlag einen guten Ruf im
Reich und anderswo. Wer in Kiel seine Geschäfte abwickelte, konnte sich
auf die "Holstentreue" fest verlassen.
Wo abgeschrieben ? Bei mir selbst - bisher unveröffentlicht.
Klaus Struve, Kiel
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