[Austria-L] Protestanten in Niederoesterreich: Evangelisches Kirchenbuch Sindelburg 1581-1627

Gesendet: Dienstag, 09. April 2019 um 11:12 Uhr
Von: "Christina Kaul" <kaul@anholt.eu>
An: "familia-austria-l@genealogy.net" <familia-austria-l@genealogy.net>, Austria-L <austria-l@genealogy.net>
Betreff: [Austria-L] Protestanten in Niederoesterreich: Evangelisches Kirchenbuch Sindelburg 1581-1627

Liebe Listenleser,

Wer sich fuer Protestanten in Niederoesterreich vor der Gegenreformation interessiert, dem sei ein Blick in das erste Kirchenbuch der Pfarre Sindelburg an der Donau 1581-1627 empfohlen. Sindelburg- Wallsee liegt direkt an der Grenze zu Oberoesterreich, an das es auf der anderer Seite der Donau mit dem Machviertel grenzt.

Vielerorts wurden ja evangelische Kirchenbuecher nach der Gegenreformation von katholischen Pfarrern weitergefuehrt, hier handelt es sich jedoch um ein rein evangelisches Kirchenbuch.
Die Hochzeiten beginnen 1581 unter Pfarrer Johannes Leutner, die Sterbefaelle 1597, die Taufen erst 1606. Das Kirchenbuch endet 1626 unter Pfarrer Christoph Leutner, wahrscheinlich dem Sohn von Johannes Leutner.
Lediglich die Trauungen werden noch im Fruehjahr 1627 weitergefuehrt. Das Kirchenbuch ist sehr gut lesbar und in evangelischer Tradition auf Deutsch und nicht auf Latein verfasst.

In Eintragung 127 heiratet Georg Scholdt, Pfarrer von Hafnerbach 1591 die Tochter des Pfarrers Johannes Leutner.

Tauf-, Trauungs- und Sterbebuch - 01,2,3-01 | Sindelburg | Niederösterreich (Westen): Rk. Diözese St. Pölten | Österreich | Matricula Online

In Eintragung 142 heiratet 1598 eine andere Tochter des Pfarrers Johannes Leutner.

http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/st-poelten/sindelburg/01%252C2%252C3-01/?pg=89

Ende 1627 mussten die letzten protestantischen Pfarrer und Lehrer in Niederoesterreich das Land verlassen. Deshalb sind die folgenden beiden Seiten des Kirchenbuchs 1626 besonders interessant:

Tauf-, Trauungs- und Sterbebuch - 01,2,3-01 | Sindelburg | Niederösterreich (Westen): Rk. Diözese St. Pölten | Österreich | Matricula Online

Auf der linken Seite unten beschreibt der Pfarrer Christopf Leutner den Fall des Christoph Weillinger, dass er in Enns katholisch - in 'paepstischen Gebrauch' - getraut wurde, aber von Leutner aufgrund eines herrschaftlichen Briefs im Mai 1626 nochmals protestantisch verheiratet wurde. Auf der rechten Seite berichtet Leutner von offenbarer Verwirrung und Bestimmungen, betreffend Ehen in Folge des Religionswechsels und des Oberosterreichischen Bauernaufstand 1626.

Sindelburg scheint eine der letzten protestantischen Pfarren gewesen zu sein, denn der Pfarrer schreibt, dass 1626 92 Kinder aus anderen Pfarrren getauft wurden. Bei den Sterbeintraegen wird auf den 'Bauernaufstand' und 'Bauernflucht' 1626 Bezug genommen, bei dem offenbar mehrere Leute in Sindelburg ums Leben kommen.

Oberösterreichischer Bauernkrieg – Wikipedia

Das naechste - katholische - Kirchenbuch beginnt im November 1627 unter Pfarrer Nicolaus Walch und ist dann teilweise auf Latein, teilweise auf Deutsch verfasst. Es ist bekannt, dass vierlorts die protestantischen Pfarrer aufgrund von Mangel an lokalen katholischen Pfarrern mit Auswaertigen besetzt wurden. Der Familienname Walch scheint auf einen Pfarrer aus Tirol (oder Vorarlberg) hinzuweisen.

Mit bestem Gruss,

Christina (Kaul)
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