Antw. Ostpreussen Königsberg 1948, restliche Deutsche werden

Hallo Herr Labinsky,

auch meine Oma Hetty Antonie Helene Schmitz geb. Breyer, sowie meine Mutter Margarete und mein Onkel Gerd gehörten zu den 1948 aus Königsberg ausgewiesenen.
Bis zur Ausweisung starben 1946 der älteste Bruder meiner Mutter Peter und meine Urgroßmutter Antonie Martha Breyer an Hunger und Typhus. Peter wurde dabei in einen Bombenkrater neben dem Krankenhaus geworfen; meine Urgroßmutter in Seligenfeld bestattet.

Innerhalb kürzester Zeit mussten sie 1948 ihr Zeug packen und sich am Sammelort einfinden.
Dann wurden sie in Viehwaggons verladen und über Tage von Königsberg im Zickzackkurs durch das heutige Polen geschickt, da die Schienen noch nicht überall wiederhergestellt waren.
Während der Fahrt litten die "Reisenden" unermesslichen Hunger und Durst; und auch die hygienischen Umstände waren unbeschreiblich, da die Notdurft im Waggon verrichtet werden musste. Die Waggons waren von den Russen verplombt worden.
Irgendwo in Polen haben dann polnische Einheimische die Frauen und Kinder schreien und weinen gehört und die verplombten Waggons aufgebrochen, um den Leidenden Essen und zu trinken zu geben.
Diese dankbare Geste wurde jedoch durch den russischen Lokführer zunichte gemacht, der den Zug anfahren ließ.
Meine Oma, aufgrund der Kriegserlebnisse extrem misstrauisch, hatte erst sehr spät den Waggon verlassen, als dieser dann anfuhr.
Dadurch schaffte sie es noch wieder aufzuspringen und zu den beiden Kindern zu kommen.
Andere Kinder wurden so von ihren Müttern getrennt.
Irgendwann erreichten die Ausgewiesenen wohl ein Lager in damaligen SBZ.
Meine Oma sollte sich dann mit den Kindern in Böhlitz bei Leipzig ansiedeln.
Da mein Opa jedoch aus dem Rheinland stammte, zwar schwer verwundet, jedoch lebend dort seit drei Jahren auf die Familie wartete,
wollten sie in den Westen.
Es war der 30.4.1948, Die Russen erhielten aufgrund des folgenden Feiertags eine Schnapszuteilung.
Meine Oma ließ den besoffenen Offizier ein Papier zu Ausreisung unterzeichnen und konnte so kurz danach in das Lager Friedland in den Westen ausreisen.
Papiere über über diese Odyssee habe ich noch nicht gefunden; alle Daten wurden von meiner Oma und meiner Mutter überliefert.
Bis zu Ihrem Tod im Jahr 2006 haben diese Erlebnisse meine Oma nicht losgelassen.
Ich bin jedoch dankbar, dass sie mir dieses und vieles andere anvertraut hat und ich dies an meine Kinder weitergeben kann und wir alle hoffentlich lange in Frieden leben können.

Aus dem Rheinland

Michael Salmann

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