Gefunden in Acta Borussica, II. Band, 3. Stück, Anno 1731
D. Heinrich Bernhard Hübners (1) Relatio, von der Ermländischen Messer-
Schluckerin
In diesem ein tausend sieben hundert und zwantzigsten Jahre, stellet sich wieder
eine Messer-Schluckerin in dem benachbarten Bischthum Ermeland dar: Allwo
ein Weib, Nahmens Anna, verehelichte Lembkin,(2) ihres Alters von 47 Jahren,
im dorffe Torninen, eine halbe Meile jenseits der Stadt Rössel, und drittehalb
Meilen von Rastenburg gelegen, den 1sten Julii aus Unfürsichtigkeit ein Messer
herunter geschlucket, nachgehends in Rastenburg allhie den eylfften Tag
gedachten Monahts durch einen Schnitt davon befreyet worden.
Damit nun einige Umbstände von dieser neuen Messer-Schluckerin, und der mit
ihr vorgehabten Cur bekandt werden, muß ich berichten, daß selbige, ihrer
Aussage nach, in vorbesagtem Dorffe geboren und erzogen sey. Ihr Vater ist
gewesen Jacob Langhangk, ein Schlutz an selbigem Ort. Währendem Ehestand,
worinnen sie 18 Jahr mit ihrem Mann Heinrich Lembcke bißhero gelebt, hat
selbige acht Kinder gezeuget, von welchen aber nur zwey Söhne, die ich selbst
bey meiner letzten Gegenwart in Torninen (woselbst dieses Weib mit ihrem
Ehemann auf einem Bauer-Erbe wohnen) gesehen, am Leben sind.
Diese Anna Lembckin versuchet, auf gleiche Art, als Andreas Grünheide vor
Zeiten gethan, (davon sie doch, maßen dergleichen Bauers-Leute die
Denckwürdigkeiten der Welt wenig zu achten pflegen, niemahls gehöret zu
haben vermeynet) am ersten Tage des Monats Julii, 1720 weil sie sich im
Magen etwas übel befand, und gerne brechen wollen, durch Beyhülffe des
Messers ihr das Vomiren zu befördern; stecket deshalb den Schafft der Schale
des Messers in den Hals, und da das Brechen nicht gleich erfolget, stosset sie
das Messer noch tieffer herein
Der Schlund, wodurch ich allhie Pharyngem oder das obere Theil des
Oesophagi verstehe, fasset die Schale oder den Schaft des Messers indessen die
Spitze desselben dem Weib aus den Fingern glitschet, und oben am Gaumen
bestecken bleibet. Hierauf trachtet dies unglückseelige Messer-Schluckerin das
Messer wieder heraus zu ziehen; aber vergebens, es sincket selbiges vielmehr
tieffer herunter, und gehet, so wie sie erzehlet, gantz gelinde ohne sonderliche
Schmerzen nach dem Magen hin �.
(�)
Zu welchem Ende dann ihr Ehemann anhero nach Rastenburg kam, un die
miserable Beschaffenheit seines Weibes dem Herrn Johann Horchen, Stadt-
Cämmerer und Chirurgo hieselbst �..
(1)Med.Doct. des Königl. Berlinis. Collegii Medici Adjunctum und Physicum zu Rastenburg
(2) im weitern Verlauf des Berichtes wird der Name mit ck, also Lembckin geschrieben.
Mit freundlichen Grüßen von mir,
Hans Blazejewski