Alter Brief betr. Kunzendorf, Kreis Sprottau u. Umgebung

16. 12. 1945

Liebe Schwiegereltern, Gertrud und Herbert!

Haben nun schon 3 Briefe von euch bekommen. Vom 27. 11. dieser Brief ist am 17.12. eingetroffen. Habt recht schönen Dank dafür.

Von den anderen Angehörigen kann ich euch leider keine Nachricht geben. Adolf ist hier beim Einbruch der Russen von ihnen mitgenommen worden, wie es allen Männern gegangen ist, die Zuhause waren. Laugsch, Siegfried – Schürmann, Heinrich, Schiller, Paul, Luft, Bruno , Engmann, Müller, Erich, Steller, Kurt,

Pratsch, Adolf, und noch ein paar Flüchtlinge, die gerade ins Dorf

einquartiert waren. Pratsch ist nach ein paar Tagen wieder zurückgekommen, da er über 50 Jahre alt war. In Liebichau bin ich seit Januar nicht mehr gewesen. Bei den Russen werden sie wohl noch nicht geflüchtet sein, dann wäre Pratsch als Gefangener durch Liebichau gekommen ist, hat am Hause immer eine weiße Fahne gehangen, ein Zeichen, dass es von den Deutschen bewohnt ist.

Ende Juni wollte ich mich mit Onkel Reinhold (Wende!) aufmachen, da es mit den Russen etwas ruhiger würde, aber da kam der verfluchte Pole und es wurde wieder nichts daraus. Lena ist ihren Kindern mit fortgemacht. Aber wohin, das weiß ich auch nicht. Eure Wirtschaft ist zuerst vom deutschen Militär besetzt worden. Die Schlächterei ist dort eingerichtet worden, und in der blauen Stube war die Schusterei.

Ein Schweizer war auch mit dabei, da könnt ihr euch ja denken, was für eine Leben das war. Wie die Soldaten fortmachten, habe ich mit Adolf alles sauber gemacht. Früh und abends sind wir runter füttern gegangen. Käthe hatte sich auch schon um die Wirtschaft bemüht, aber das gab Sucker Wilhelm nicht zu, weil sie vom anderen Dorf war. Zwei Flüchtlingsfamilien kamen ins Mauerhaus (?). Auch diese waren nur ein paar Tage da. Es war am

Sonnabend abends, als Sucker, Wilhelm den Befehl brachte, zu flüchten. Sonntag früh 7 Uhr sollte der Treck stehen, dann kam noch einmal um 10 Uhr der Befehl, auf…. hatten wir ja auch und ….. für …. Und Fellenberg mit

Die Wagen waren so schwer, so dass die Pferde auf glatter Straße es schwer gehabt haben, weil weniger auf Feldwegen gefahren wurden.

In unserem Dorf sind ja viele geflüchtet, während euer Dorf fast ganz dageblieben ist. Abends um 19 Uhr kamen die ersten Russen schon in unser Haus herein, wovon wir Dienstag bis Donnerstag haben wir in der Oberstube gewohnt, die wir durch lange ….. reinbekamen.

Frau Pratsch kam auch mit zu uns, sie war gerade herausgejagt worden. Als die ersten Russen schon Donnerstag früh abgezogen,

räuberten sie das Bienenhaus aus und zum Schluss steckten sie es in Brand. Zum Glück konnten wir das Feuer löschen, ehe es auf die anderen Gebäude überging. Mit den Leben haben die ersten Tage sehr viele abgeschlossen. Weigel, Adolf mit der Familie gemeinsam in den

(Bach ) Joyl gegangen. Ebenso wie unsere Nachbarsfrau Weigel mit ihren drei Mädels, zwei Schwägerinnen mit ihrem Kind. Sucker, Wilhelm mit der Frau und Knappe, Gertrud und Frau Nietzsch sind ins Wasser gegangen. Nachbar Schöpke mit Frau, Friedel, Irmgard und T. Silz sind von den Russen erschossen worden und dort Emil mit Frau. Sie war ulcher mit ihren Kindern und Frau Lachmann haben sich aufgehängt. Lachmann, Otto ist spurlos verschwunden.

Im April sind wir von den Russen nach Wittgendorf gejagt worden. Dort haben wir bei Fugland fast 8 Wochen gewohnt. Es war auch Massenquartier. Frau Laugsch mit ihren 3 Kindern, Frau Fellenberg,

Gärtner Biegardt mit Frau Fugland und Gertrud mit ihren Kindern und eine Flüchtlingsfamilie. Im Ober Dorf durfte nur Pratsch bleiben, weil er Ortskommandant war. Frau Sucker mit ihren Kindern und Frau Silz waren auf der Kommandantur, bei Feyner. Sucker, Wilhelm ist ein paar Wochen zu Hause gewesen, aber dann wurde er auch abgeholt, ebenso Seichel, Fritz. Fellenbergs beide Mädel Fugland Hanger Müller Erika Kluge Lotte haben bei den Russen die ganze Zeit als Gefangene gearbeitet in Sprottau. Von Wittgendorf aus sind wir im Mai und im Juni immer noch Cunzendorf gegangen, das Feld bestellen. Kartoffeln mussten doch bestellt werden, denn eine ganze Menge waren von den Geflüchteten zurückgekommen. Eierhändler

Wieglse Grundmann Barberocke Winkler, Paul und Hoffmann.

Bei Schöpke waren 2 Schlagbäume. In das Dorf durfte niemand hinein. Wer ins Dorf wollte, musste ……. auf Feldwegen gehen Mitte Juni sind wir wieder in unser Haus eingezogen. Mein Möbel waren raus – bis auf den Kleiderschrank, der zerschlagen war. Ein paar Türen waren raus, ebenso die Scheunen- und Stalltür. Wir sind in den Wald gefahren und haben uns wieder etwas zusammengesucht. Aber all unsere Mühe war umsonst. Nach 14 Tagen kam der Pole und jagte uns raus. Wir haben alles mitgenommen, was wir noch hatten, da es zu Hause auch verloren ging.

Wir hatten ja wieder ein Pferd und ein Fohlen. Bis Mittag ging es fort bis in die Nächte hinein zu Fuß. Vor Sorau wurde das erste Mal haltgemacht. Am anderen Morgen ging es weiter bis nach Triebel, wo wir ganz durchnässt ankamen, da es fast den ganzen Tag geregnet hatte. Hier wurden wir nun erst beraubt, das große Pferd wurde uns ausgespannt. Das Fohlen hatten sie uns schon eher weggenommen.

Die Säcke wurden in den mit Wasser gefüllten Hernn(?)seegraben geworfen. Ein paar Säcke haben wir wieder gerettet, aber dann kamen die Polen mit Peitsche und Gummiknüppel und jagten uns fort. Von hier aus sind wir nun mit einem großen Handwagen weitergezogen.

Schlimmer wie Zigeuner. Sie haben wenigstens noch einen Wagen,

wo sie drin wohnen können. Im Forst haben wir ein paar Tage geruht.

Barbarotze, Flora ist hier gestorben. Wollten gerne mit Pratsch beisammen bleiben, aber er konnte noch ein paar Tage rasten und wir mussten weiterziehen. Frau Sudger ist ja auch von uns abgekommen,

wir sind bis in Herzberg gewesen. Auch ein paar Stellen haben wir ja mal ein paar Tage gearbeitet, aber es war nur vorübergehend. Geschlafen haben wir meistens in Scheunen, bis auf eine Nacht, wo uns mal eine Stube mit Betten zuteil wurde. Auch hier in Rüdingsdorf haben wir ein paar Wochen im Gasthaus in der Scheune geschlafen, bis der Besitzer diese zum Stroh brauchte. Und so haben wir uns eben nun hier in dem Gefangenenlager eingerichtet, wie auch Onkel Reinhold geschrieben hatte. Wir sind hier ganz allein von Kunzendorf. ENDE DES BRIEFES

.... = konnten wir nicht mehr lesen.

Vielleicht hilft es dem einen oder anderen Forscher?

LIEBE GRÜSSE !

Rita Hartwig