Alte Schriften, Schreibustensilien, Tinte und Papier

"Docti male pingunt." (Gelehrte schreiben schlecht.)
Lateinisches Sprichwort

Liebe Ursel,

Sicher bist Du nicht die Einzige, die sich beim Entziffern alter Schriften die Haare rauft und wissen möchte, wann zum Himmel die Kirchenschreiber endlich den kratzenden, klecksenden Gänsekiel durch die Stahlschreibfeder ersetzten. So folgen, mit einem Gruss an alle Listenmitglieder und Forscherfreund/innen, denen es ähnlich ergeht, hier einige Anhaltspunkte über die Liste.

Antike Benutzung von Schreibfedern aus Kupfer- u. Bronzeblech durch die Römer

4. Jh Verdrängung der Metallfeder durch den Gänsekiel, der vom 16. Jh. an nach und nach wieder der Metallfeder weicht, aber in ganz Europa bis weit in das 19. Jahrhundert im Gebrauch bleibt.

1500 Erfindung des Graphitschreibstiftes (Bleistift)

1544 "Anweisung vnnd eygentlicher Bericht, wie man eynen yeden Kiel erwölen soll" von Johann Neudörffer d.Ä. (* 1497 Nürnberg + 1563 ebd.). Anweisung über den Umgang mit (Gänse-) Federkielen, erwähnt erstmals "Eysere und Kupfere Ror, auch Kupfere vnnd Messine blechlein" als Schreibgerät. In der Folgezeit weicht die Gänsefeder wieder der bereits in der römischen Antike benutzten Metallfeder. Allerdings setzten sich Eisen-, Kupfer-, Messing-, Silberfedern nur sehr langsam gegen den Gänsekiel durch. Der wahre Durchbruch gelingt erst der Stahlschreibfeder.

1748 Erfindung der Stahlschreibfeder (Johannes Janssen, Aachener Bürgermeisterdiener).
Mit Janssens erster Stahlschreibfeder wird der Aachener Friedensvertrag unterzeichnet (18.10.1748, Ende des Österreichischen Erbfolgekrieg). Janssens Federn sind in In- und Ausland gefragt. In der Folgezeit fertigen u.a. auch der Schlüsselringmacher Samuel Harrison aus Birmingham (1780) und der Däne Jans Hammer (um 1800) Stahlfedern von Hand her. Es dauert ein Jahrhundert, bis sie zur Perfektion entwickelt sind. Stahl- und Goldfedern bleiben aufgrund der zeitaufwendigen Herstellung im Handbetrieb eine sehr kostbare Rarität.

1780 Erfindung des erforderlichen Stahlfederhalters (Samuel Harrison, England), der später verbessert wird durch den Hartgummi-Federhalter (1853, Charles Nelson Goddyear * 1800 New Haven/Conn. + 1860 New York, amerikanischer Chemiker) und den Federhalter aus Holz mit einer Metallhülse oder auch ganz aus Holz (Friedrich Sonnecken * 1848 + 1919, Gründer der Remscheider Schreibwarenfabrik, seit 1876 Sitz in Bonn).

1808 Patentierung der Stahlfeder (Bryon Donkin, England, 14.03.1808).
Donkins Feder ist an der Spitze mit einem Schlitz versehen, damit die Tinte besser fliesst. Wie ihre Vorläufer im Handbetrieb hergestellt, ist sie viel zu teuer, um grosse Verbreitung zu finden.

1831 Patentierung des maschinellen Herstellungsverfahrens von Stahlfedern (Joseph Gillot aus Birmingham, England).
1840 verarbeitet Gillots Fabrik jährlich über 1000 Zentner Stahl zu Schreibfedern ("Perrian Pen" ab 1830). Dessen ungeachtet bleiben diese ein Luxusartikel. Der Zeitgenosse Ignatz Briess berichtet: "Das Schönschreiben war uns der liebste Gegenstand; rastierte Schreibhefte und Stahlfedern existierten damals noch nicht und so verbrachte der Lehrer die ganze Stunde mit dem Linieren der Hefte und mit dem Schneiden der Kielfedern ("Schilderungen aus dem ehemaligen Ghettoleben vom Jahre 1838 bis 1848", Brünn 1922). "Die Kielfeder (Gänsekiel) behauptete sich sehr lange neben der später eingeführten Stahlfeder. Erstere blieb vorwiegend die Feder der Gelehrten und Diplomaten, von denen jeder ein Original sein wollte, während letztere die Feder des Kaufmannes wurde und war gleichsam ein Fortschritt zur Gleichheit, weil die Fabrik allen Menschen die Federn gleich schneidet." (W.H.Riehl: "Seines Vaters Sohn" zitiert von I. Briess, s.o.).
Dank der allgemeinen Schulpflicht setzt die immer kostengünstiger maschinell hergestellte Stahlschreibfeder sich endlich durch.

1856 Eröffnung der ersten deutschen Stahlfedernfabrik in Berlin (S. Blanckertz * Jüchen/Neuss)

1859 Patentierung der Gummi-Tintenkammer für den Füllfederhalter (Walter Moseley, England). Noch hatte der Füllfederhalter den Nachteil, dass sich der Tintenfluss nicht genau genug regulieren liess. Entweder blieb die Tinte ganz aus, oder sie strömte so kräftig in die Schreibspitze, dass der Felderhalter kleckste.

1884 Patentierung des ersten Kapillarfüllfederhalters (Lewis Edson Watermann * 1837 + 1901, amerikanischer Versicherungsvertreter, Patent vom 12.02.1884) mit drei Kanälen, die den Zufluss von Tinte und Luft in richtigen Mengen regelten. Seine Produktion in New York wird ein Millionengeschäft.

1912 Erfindung des Drehbleistiftes (Tokuji Hayakawa, Japan); seit 1914 und bis zum heutigen Tag als "Ever-Sharp Pencil" in den USA vermarktet.

1938 Patentierung des Kugelschreibers (Brüder Laszlo und Georg Biro, Budapest/Ungarn) mit Farbmine und rollendem Kügelchen in der Minenspitze zum Auftrag der Farbmasse auf das Papier. Nach 18jähriger !! Entwicklungsarbeit in Ungarn (1938), dann in den USA (27.12.1938, "Fountain Pen for Pulpink Ink", dann "Ball Pen" genannt) patentiert und Dank der finanziellen Unterstützung des Engländers Henry G. Martin serienweise gefertigt, der gemeinsam mit Frederick Miles die erste Kugelschreiberfabrik der Welt gründete (1944, Reading/Berkshire), die im ersten Jahr ihres Bestehens 30 000 Kugelschreiber an die Royal Air Force liefert.

Schliesslich die zu beherzende Bitte des Schreibers eines westgotischen Rechtsbuches aus dem 8. Jahrhundert:
"O beatissime lector, lava manus tuas et sic librum adprehende, leniter folia turna, longe a littera digito pone. Quia qui nescit scribere, putat hoc esse nullum laborem. O quam gravis est scriptura: oculos gravat, renes frangit, simul et omnia membra contristat. Tria digita scribunt, totus corpus laborat..."

("O glücklichster Leser, wasche Deine Hände und fasse so das Buch an, drehe die Blätter sanft, halte die Finger weit ab von den Buchstaben. Der, der nicht weiß zu schreiben, glaubt nicht, daß dies eine Arbeit sei. O wie schwer ist das Schreiben: es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben, der ganze Körper leidet...")

Gut Mut, viel Erfolg beim Forschen
und beste Grüsse aus Paris,

Susanna

Die obigen Angaben (gekürzt) lieferten grösstenteils die interessanten Seiten über "Information und Kommunikation in Geschichte und Gegenwart" von Frau Dr. Margarete Rehm:
http://www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/infopub/textbook/umfeld/rehm.html

sowie die folgenden Seiten über:

Alte Schriften:
http://www.lexikon-definition.de/Schreibschrift.html
http://www.ap.univie.ac.at/users/Walter.Dietrich/europa.html
http://web8.1390-2.1st-housing.de/set-thtexx.htm

Schreibustensilien:
http://www.fs-versand.ch/s_vortrag.htm
http://www.pentick.de/text.htm
http://www.versus-online.de/dt/pelikan.htm
http://www.herend.com/herald/012/deu/eletmod.htm

Tinte:
http://www.goethegalerie.de/content/journal_print.php4?edition=8&article=140
http://216.109.124.98/search/cache?ei=UTF-8&p=Erfindung+Stahlfeder+&meta=vl%3D&fl=1&vl=&pstart=1&b=191&u=palimpsest.stanford.edu/iada/ta99_175.pdf&w=erfindung+"stahl+feder"&d=B3D6827A82&icp=1&.intl=de

Papier und Pergament
http://members.vienna.at/difr/papier/
http://www.buettenpapier.com/index.html
http://elib.tu-darmstadt.de/lhb/ausstellungen/briefmarken/SchriftBeschreibstoffe.htm