[AK-Mueller] 2. Arbeitstreffen des Arbeitskreises „Müller- und Mühlenforschung" am 7./8.11.09

  1. Arbeitstreffen des Arbeitskreises „Müller- und Mühlenforschung"

Am Wochenende 7./8. November 2009 traf sich der Arbeitskreis „Müller- und Mühlenforschung" zum zweiten Mal in Bad Sulza. Neben dem fachlichen Austausch sollten vor allem auch Arbeitsrichtungen für die Zukunft festgelegt werden. Auch wenn einige Teilnehmer der vorjährigen Tagung leider, vorwiegend aus beruflichen Gründen, verhindert waren, hatte sich wieder ein Teilnehmerkreis zusammengefunden, der ein breites Themenspektrum zur Müller- und Mühlengeschichte vortragen konnte. Die Beiträge deckten ein breites Spektrum unterschiedlicher Themen ab. Dr. Rudolf Vandré trug neue und interessante Ergebnisse vor,
die die sog. Unehrlichkeit der Müller in ihrer sozialen Auswirkung weitgehend in Frage stellen. Er konnte belegen, daß die Müller offensichtlich „am äußersten Rand der Randgruppen" rangierten und daß die Zahl der Unehrlichkeitskonflikte bei Müllern auffallend gering ist. In Goslar konnten Müller seit Ende des 16. Jahrhunderts nachweislich das Bürgerrecht erwerben, Müllertöchter Handwerker heiraten und Müllersöhne ein zünftiges Handwerk erlernen. Unabhängig davon war in den Geburtsbriefen bis 1732 die Formulierung
„keines Schäffers, Zöllners, …, Bachmüllers … Kind" enthalten. Wahrscheinlich passte man die Eidesformel bei Bedarf der Situation an. Abschließend wurden zahlreiche namentliche Belege für Heiraten von zünftigen Handwerkern mit Müllerstöchtern aus der Region Pommern vorgestellt. Dr. Hermann Metzke berichtete über Streitigkeiten um den Mahlzwang, die in den Unterlagen der Abteilung Dessau des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt dokumentiert sind. Dabei geht es mehrheitlich um Situationen, bei denen die zuständige Zwangsmühle nicht in der Lage war, das zugeführte Getreide rechtzeitig zu
mahlen, sei es, daß eine Wassermühle wegen Trockenheit oder winterlicher Witterungsbedingungen oder eine Windmühle wegen Windstille nicht arbeitsfähig war. Prof. Dr. Günther Schweizer stellte eine eingehende Untersuchung der Geschichte der Mühlen und der Müllerfamilien im Reichenbachtal bei Stuttgart vor. Die Mühlen waren im ausgehenden Mittelalter Eigentum der Landesherrschaft, an die Abgaben entrichtet werden mußten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kauften berufsfremde Personen, meist wohlhabende Stadtbürger, Universitätsprofessoren u.ä., die Mühlen als Kapitalanlagen, um sie dann weiterzuverpachten.
Etwa seit Beginn des 18. Jahrhunderts gingen die Mühlen dann meist in den Besitz von Müllern über. Jürgen Kniesz berichtete über die Geschichte der Wassermühle in Röbel an der Müritz im Zeitraum vom 13. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit zahlreichen lokal- und sozialgeschichtlichen Details. Bernd Thiel referierte über den derzeitigen Stand seiner Arbeiten zur Müller- und Mühlenforschung in Brandenburg. Sein Arbeitsgebiet ist Brandenburg etwa in den Grenzen von 1900 einschließlich nur zeitweilig zu Brandenburg
gehöriger Gebiete, ggf. auch einzelne Mühlen benachbarter Territorien in Grenznähe. Zur mittelalterlichen Mühlengeschichte Brandenburgs sind als Quellen vor allem klösterliche Aufzeichnungen (Neuzelle, Lehnin, Chorin etc), das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375 und der Codex diplomaticus Brandenburgensis. Auf die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit Heimatstuben und Museen, Ortschronisten und Mühlenvereinen wurde ausdrücklich hingewiesen. Die von Autor betreute brandenburgische Müllerkartei umfasst Angaben zu etwa 3000 Mühlen, die selbstverständlich nicht alle gleichzeitig existierten, sowie zu ca. 2000 Müllern und 300 Müllerehefrauen. Außerdem verfügt er über ein Literaturverzeichnis zu Brandenburger Mühlen und ihrer Technik. Zahlreiche interessante Bilder rundeten den Vortrag ab. Zur Ergänzung seiner Unterlagen sucht der Autor weiterhin Ergänzungen zu Mühlen und Müllern, Material zur Lebensweise von Müllerfamilien und historische Mühlenbilder aus seinem Forschungsbereich. Der zweite Tag begann mit einem Vortrag von Steffen Rödiger zu den Mühlen an der Kleinen Wipper und dem Helbe-System bei Bad Frankenhausen, künstlichen Wasserläufen in Nordthüringen und eine ingenieurtechnische Meisterleistung des Mittelalters. Im weiteren Verlauf war der Tag dann der Diskussion von technischen Vorhaben des Arbeitskreises vorbehalten. Nachdem die Vereinsmailingliste dank der Aktivitäten von René Gränz und Bernd Thiel reibungslos funktioniert, lag der Schwerpunkt der Erörterungen auf der Einrichtung einer Datenbank. Einleitend demonstrierte Dr. Metzke einen Familienkreis, dem zwar eine Anzahl Müller, aber ebenso zahlreiche Angehörige anderer Berufsgruppen angehörten. Daraus ergibt sich die Frage, ob das Ziel eine ausschließlich auf Müller begrenzte Datenbank sein soll oder ob man auch komplexere Zusammenhänge erfassen will. René Gränz stellte in seinem ausführlichen Vortrag zu diesem Thema verschiedene Möglichkeiten vor, die im Rahmen des Programmspektrums des Vereins für Computergenealogie realisiert werden könnten. Er diskutierte u.a. die Vor- und Nachteile des Genwiki auf dem Deutschen Genealogieserver, der Höfeseiten auf dem Genwiki als Modell für eine entsprechende Mühlenerfassung, eines Müllerfamilienbuchs nach dem Vorbild der Ortsfamilienbücher und einer Datenbankanwendung auf PGV-Basis. Als Alternative referierte Marie-Luise Carl über die in der Entwicklung befindliche quellenbasierte Datenbank „Gedbas for all" des Vereins für Computergenealogie, die insofern eine optimale Lösung wäre, als auch eine Erfassung
komplexerer Familienzusammenhänge damit ermöglicht würde. In der Diskussion wurde
Übereinstimmung erzielt, daß man eine Insellösung nicht anstreben sollte. Es ist geplant, sich an der Datenbank des Compgenvereins zu beteiligen. René Gränz wird vorerst die Koordination übernehmen.
Keine befriedigende Lösung konnte bezüglich der Literaturdatenbank erzielt werden. Martin-
Michael Rexilius musste die Aufgabe aus beruflichen Gründen abgeben. Wenn sich kein Be-
arbeiter dafür findet, muß diese Aufgabe vorerst zurückgestellt werden. Die meisten Vorträge der Tagung wurden in Heft 4/2009 der Zeitschrift „Genealogie" veröffentlicht, das beim Verlag Degener & Co., Am Brühl 9, 91610 Insingen, zum Preis von 12,30 € bezogen werden kann.
Hermann Metzke

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Hermann Kleitner