Ahnenpässe - Zweitschriften wo?

Liebe Leser,
in den letzten Tagen wurde hier mehrfach erörtert, zu welchem Zweck Ahnenpässe/-tafeln angefertigt und wo gegebenenfalls die Daten archiviert worden sind.

Nach meiner Kenntnis mußten nur gewisse Berufsgruppen ihre "arische" Abstammung nachweisen. Dazu gehörten auf jeden Fall die Beamten, Berufssoldaten und Angehörige von SA und SS. Aber auch die Landwirte wurde dazu angehalten, ihre Vorfahren zu ermitteln. Folgenden Text fand ich in den Unterlagen meines Großvaters, woraus hervorgeht dass eine Zweitschrift der Ahnentafel in den Unterlagen der "Landesbauernschaft" verblieb. Ob und wo diese heute möglicherweise noch zu finden wären, habe ich bisher nicht ermitteln können:

Kreisbauernschaft

Gumbinnen,den 3. Januar 1935

An
dieHerren
Kreisobmann
Kreishauptabteilungsleiteru.
             Bezirksbauernführer!
Inder Anlage erhalten die oben genannten Herren für sich
undihre Ehefrauen je zwei Ahnentafeln. Die Ahnentafeln sind
baldmöglichstmit den einzelnen Urkunden ausgefüllt hierher ein=
zureichen.Wir senden dann gesammelt Ahnentafel und Urkunden an
dieLandesbauernschaft weiter, wo die Übereinstimmung der Ahnen=
tafelnmit den Urkunden beglaubigt wird. Anschließend erhalten
dieBetreffenden die Urkunden und eine beglaubigte Ahnentafel
zurück.Die zweite beglaubigte Ahnentafel bleibt bei den Akten
derLandesbauernschaft. Alles Nähere zur Ausfüllung einer Ahnen=
tafelwollen Sie bitte aus den auf der Rückseite der Ahnentafel
gegebenenAnleitung ersehen.
Ichbitte darum, daß die Wintermonate intensiv dazu aus=
genutztwerden, die Abstammung zu beschaffen. Dieses ist um so
notwendiger,damit durch das Beispiel der Bezirksbauernführer und
Kreishauptabteilungsleiterauch die Ortsbauernführer sehen, daß die
Ahnenaufstellungmöglich ist; denn im Januar 1936 ist der Befehl
zuerwarten, daß auch die Ortsbauernführer einen Ahnennachweis
zuführen haben. Sollte die Beschaffung einzelner Urkunden sehr
langedauern, so bitte ich darum, daß wegen dieser Urkunden nicht
derAhnennachweis zurückbehalten wird. In solch einem Falle ist
derAhnennachweis unvollständig einzureichen und die Urkunden sind
nachErhalt nachzureichen. Ich weise nachdrücklich darauf
hin,daß die Ahnentafel in doppelter Ausfertigung ausgefüllt
werdenmuß.
                                                        HeilHitler!
                                                        gez.Hartmann
F.d.R.
unleserlicheUnterschrift, möglicherweise "Freygang"<<

Grüße aus Berlin
Viktor Haupt

Viktor Haupt [mailto:viktorhaupt@aol.com] schrieb:
Nach meiner Kenntnis mußten nur gewisse Berufsgruppen ihre "arische"

Abstammung nachweisen. Dazu gehörten auf jeden Fall die Beamten,
Berufssoldaten und Angehörige von SA und SS.

Hallo Viktor
Da bin ich keineswegs sicher, dass die SA-Angehörigen (im Gegensatz zu den
Beamten und der SS) einen Ariernachweis erbringen mussten (die SA war ja ab
1934 sowieso eher verfemt). Nicht einmal von den Parteigenossen habe ich das
bisher nicht feststellen können. Bei den Berufssoldaten bin ich nicht ganz
sicher; gesehen habe ich aber noch keine Verpflichtung.

Aber auch die Landwirte wurde dazu angehalten, ihre Vorfahren zu

ermitteln. ...

Allein das Wort "angehalten" deutet ja schon an, dass keine Pflicht dazu
bestand, sondern dass offenbar übereifrige Funktionäre sich (möglicherweise
aus Karrieregründen) hervortun wollten.
Wie dem auch sei, meine Feststellung, dass der Ariernachweis im 3. Reich
viel seltener Pflicht war (sondern "vorauseilender" Eifer vieler
"Volksgenossen"), als manche es heute Glauben machen wollen, wird nur
erhärtet.
Aber ich lasse mich gern mit Fakten korrigieren.

Mit Gruss aus der Toskana
Heinz Radde

http://grosstuchen.cwc.tc/

Lieber Herr Haupt!

Das Niedersächsische Staatsarchiv Oldenburg verwahrt Unterlagen der "Landesbauernschaft" für das Weser-Ems-Gebiet. Der Bestand enthält auch Ahnentafeln aus der NS-Zeit. Ob der Bestand vollständig überliefert ist und, falls ja, alle Abgabepflichtigen die Unterlagen auch eingereicht haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn ich recht informiert bin, betraf der Ariernachweis (zunächst) nur die Erbhofbauern, nicht die weiteren Landwirte.
Ob von der Landesbauernschaft Ostpreußens irgendwo irgendetwas überliefert ist, müsste ich erst recherchieren.
Gesammelt wurden auch Ahnentafeln von Lehrern. Das Schicksal dieser Sammlung ist geklärt:
"Die "Treuhänderische Vermögensverwaltung des ehemaligen NS-Lehrerbundes Bayreuth" teilt am 12. 5. 1948 mit, daß die vom NS-Lehrerbund angelegte Sammlung von Lehrer-Ahnentafeln bei einem Luftangriff restlos vernichtet worden ist." (Genealogie und Heraldik. Zeitschrift für Familiengeschichtsforschung und Wappenwesen 1. Jahrgang, 1948/49, S. 35)
Unterlagen von SS-Angehörigen sind im ehemaligen Berlin Document Center, jetzt Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, überliefert.

Den Ariernachweis zu erbringen waren viele Gruppen verpflichtet (u. a. Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Apotheker, Studenten), doch erhielten sie ihre Unterlagen nach Vorlage wieder zurück, wenn alles für gut befunden worden war. Eine zentrale Sammelstelle gab es nicht. Was das Reichssippenamt gesammelt hat, betraf oft nur "Problemfälle" und ist zumeist auch nicht überliefert, wenn man mal von den Kirchenbuchverfilmungen absieht.
Neben der Theorie, wer alles einen Ariernachweis erbringen musste (letztendlich hätte die Regelung für die gesamte Bevölkerung gelten sollen, faktisch wurde sie nur sechs Jahre praktiziert), trat die Praxis, dass oft die Sachen nicht so gehandhabt wurden wie angeordnet, weil kaum jemand wirklich Lust auf den "Papierkram" hatte und eine Überprüfung ohnehin nur in Zweifelsfällen stattfand und flächendeckend gar nicht hätte vorgenommen werden können. Da Sterbefälle gar nicht nachgewiesen werden mussten, wurde manchmal der erstbeste passende Taufeintrag genommen, wenn man es nicht besser wusste, damit der Amtsschimmel zufrieden war. Insofern kann in den Ariernachweisen ziemlicher Blödsinn drinstehen, selbst ohne direkte Täuschungsabsicht, die es natürlich auch gab.
Mit Beginn des Krieges 1939 begnügte man sich ohnehin mit eidesstattlichen Versicherungen; Dokumente waren "nach Kriegsende" nachzureichen.

Hier ein Literaturhinweis zur Thematik (viele weitere ließen sich anführen, aber von dem Beitrag aus kann man sich gut weiter einarbeiten, wenn man möchte):
Martin Richau: Familienforschung und Ariernachweis im Dritten Reich, in: Herold-Jahrbuch Neue Folge 17. Band (2012), S. 89-118.

Mit besten Grüßen

Carsten Fecker

Hallo zusammen,

   ich habe gerade den Ahnenpass, ausgestellt in Nordhausen / Harz,
   meines Grossvaters mutterlicherseits vor mir liegen.
   Die letzten Eintragungen stammen aus dem Jahr 1937. In diesem Jahr hat
   er geheiratet.
   Er war Mitglied der SA und hat auch in seiner Uniform geheiratet (Bild
   liegt vor).

   Da er von Beruf Steinmetz war und als Soldat nur ein kleiner Gefreiter
   in Norwegen,
   kann es also nur die Mitgliedschaft in der SA gewesen sein, die ihn zur
   Anlage des Ahnenpasses
   gebracht hat. 1945 wurde er wegen seiner Mitgliedschaft in der SA fuer
   einigen Wochen verhaftet.
   Dann aber wieder entlassen.

   Dies nur als persoenliche Erfahrung in Eurer Diskussion.

   Viele Gruesse

   Rainer (Rasokat)
   Benningen am Neckar