1945: Die Engländer in der Nähe von Malchin?

*Hallo Listenteilnehmer, *

noch ein Nachtrag zur Diskussion um die Amerikaner 1945 in Mecklenburg: Es gab anfänglich keine gerade Grenzlinie!

1945 erlebte ich in Gadebusch als zwölfjähriger Schüler den Einmarsch der Amerikaner. Gadebusch liegt 24 km westlich von Schwerin, zwischen Schwerin und Ratzeburg. Die Amerikaner kamen am 2. Mai von Wittenburg her über Lützow und fuhren mit Panzern und Lkw in die Stadt bzw. weiter in westliche und nördliche Richtung. In den engen Straßen der Kleinstadt Gadebusch standen viele verlassene Wehrmachtsfahrzeuge. usw.. Auf den Chausseen hatten die Ami-Panzer im Wege stehende Fahrzeuge in die Seitengräben gedrückt. An der Straße nach Vietlübbe stand ein verlassener Fieseler Storch. Hinter unserem Haus in einer Wiese ein Panzerspähwagen usw. Am schlimmsten waren in etwa 80 Meter Entfernung zwei verlassene dt. LKW voller Munition, hauptsächlich Panzerfäuste und MG-Muni., wie wir Jungen beim Herumklettern feststellten.

In der Stadt Gadebusch kreuzten sich wichtige Fernstraßen. Die Chausseen waren zt. verstopft durch lange LKW-Kolonnen in Richtung Westen flüchtender deutscher Wehrmachtseinheiten und ziviler Flüchtlingstrecks. In kürzester Zeit füllte sich das provisorisch eingerichtete Kriegsgefangenenlager oberhalb Gadebusch (Kleingartenbereich östlich des Scheunenviertels von Gadebusch) mit etwa 20.000 gefangenen dt. Soldaten. Die Kriegsgefandenen mußten unter der Kälte und Nässe der ersten Maitage und durch Hunger sehr leiden. Auch an Zelten und Stroh fehlte es

Nach geraumer Zeit, Tage oder Wochen (ein Datum ist mir nicht mehr bewußt), wurden die amerikanischen Besatzer durch englische Truppen abgelöst. Jetzt zog ein strenges Regime ein. Statt des laxen Umgangs zwischen Amerikaner und Deutschen, Tauschhandel und Verkauf von allen möglichen Militaria und Exponaten von der Hitlerjugend (Jungvolk) als Souvenier, wurden wir eher als deutsche Schweine bezeichnet.

Wochen später zogen die Engländer ab. Sie versperrten alle Nebenstraßen der Kleinstadt mit gepanzerten Fahrzeugen und die deutschen Kriegsgefangenen marschierten in langen Kolonnen durch die Hauptstraße Stadt in Richtung Westen.

Danach war Gadebusch etwa 12 Stunden ohne Besatzungstruppen, bis am nächsten Tag, einem feucht-nebligen Morgen, zuerst einige sowjetische Soldaten auf Fahrrädern mit umgehängter MP auf dem Bürgersteig (man denke!) in die Stadt einfuhren. Danach folgten endlose Kolonnen marschierender Rotarmisten mit Gesang (Wechselgesang zwischen Vorsänger und Chor), gefolgt von den Panjewagen mit der Bagage. Panzer etc. bekamen wir in der Stadt kaum zu sehen. Das Gebiet um und in Gadebusch mußte 3000 Besatzer verkraften. Alles weitere ist vorstellbar.

Das Abkommen über die Neufestsetzung der Grenze zwischen Mecklenburg und Schleswig/Holstein wurde übrigens im historischen Gadebuscher Rathaus zwischen den Alliierten abgeschlossen.

MfG - Manfred Pragst

Hallo Manfred,

<< Es gab anfänglich keine gerade Grenzlinie! >>

nur der Richtigkeit halber: Ich habe auch keine Grenzlinie erwähnt, sondern eine Frontlinie. Die US-Karten geben diese Frontlinie
wieder.

Eine gerade Grenzlinie gab es sowieso nie.

Viele Grüße,

Jürgen

Hallo Manfred Pragst

Ihre email habe ich gerade eben erst entdeckt (ich war
krank und arbeite mich nun durch die Liste). Haben Sie
herzlichen Dank f�r die Informationen und die
Schilderungen. Es ist f�r mich nur schwer vorstellbar,
was damals passiert ist, obwohl ich mich in den
letzten Jahren einigermassen intensiv damit
auseinandergesetzt habe. Ich verstehe auch so nach und
nach, dass es nicht "d i e Flucht" gab, sondern dass
jede Flucht und speziell in jeder Region etwas
einmaliges war und es auch nicht in jedem Ort die
gleiche Macht�bernahme bzw. den selben Machtwechsel
der Alliierten gab. Alles scheint weitgehend
unkoordiniert, vielleicht kann man fast sagen
"spontan" vor sich gegangen zu sein. I
ch habe einen ungef�hren Eindruck der Flucht, die ich
zu erkunden suche bis Malchin. Dann ist ein Loch bis
in den Sommer hinein. M�ndliche �berlieferung
berichtet von einem Zusammentreffen mit den
Engl�ndern. Doch wo, das ist die grosse Unbekannt in
meinem Puzzle.
Ihr Bericht hat mir sehr deutlich gemacht, dass es
einen Wechsel der EInflussm�chte gab.
Ich habe Ihren Bericht sehr gesch�tzt. da er ein sehr
eindr�ckliches Bild der damaligen Verh�ltnisse
schildert und ich mir so ein besseres Bild der
damaligen SItuation machen kann. Das hilft mir bei der
weiteren Suche enorm.

Haben Sie vielen Dank!

Mit den besten Gr�ssen

Eva Koll
--- Manfred Pragst <manfred_pragst@web.de> schrieb: